Im Alter gehen die Leistungen über alle Distanzen im Ausdauersport nach unten. Dies haben Forschungsgruppen um den Schweizer Dr. Beat Knechtle in so ziemlich allen Ausdauersportarten und Distanzen aufgezeigt.
Nach dem bekannten Forscher im Ausdauersport, Dr. Stephen Seiler, gibt es drei große altersbedingte Änderungen, welche die Leistung beeinflussen:
- der graduelle Rückgang der max. Herzfrequenz
Die ausdauerbezogenen Rückgänge können fast gänzlich aufgrund des Rückgangs der HFmax erklärt werden (dadurch sinkt auch zwangsweise die VO2max). Diesem Rückgang kann man nur wenig entgegensetzen.
Es geht also vornehmlich Kapazität im Zentrum verloren. In der Peripherie sind ältere Sportler oft den jüngeren voraus, wenn es um die Kapillarisierung des Muskelgewebes geht. Somit werden auch nicht unüblich gleiche Leistungen auf Langstrecken zw. jüngeren und älteren Athleten erklärt. Das gute dabei ist, dass wir auch im Alter wunderbar die muskuläre Ausdauer trainieren können. Wir verlieren zwar an maximaler, nicht aber so sehr an sub-maximaler Ausdauerkapazität. Daher können sich ältere Sportler gegenüber jüngeren deutlich besser in längeren Rennen schlagen als in kürzeren.
- wir verlieren Muskelmasse im Alter und hier v.a. mehr schnellzuckende Muskelfasern (daher gehen Sprint- und Kurzdistanzleistungen auch früher zurück als die Leistungen über längere Distanzen). Einem generellen Rückgang kann man aber auch gut entgegenwirken, was ältere Sportler immer wieder eindrucksvoll belegen (s. Abb. 2).
Abbildung 1 Sarkopenie (Wackerhage, 2017)
Abbildung 1 Sarkopenie (Wackerhage, 2017)
Wie dramatisch unterschiedlich sich ein Leben mit und ohne Training auswirkt zeigt die Abbildung 2.
Abbildung 2: Vergleich eines 40jährigen Triathleten mit einem 74jährigen untrainierten Mann und einem 70jährigen Triathleten.
- Verlust von Sehnen/Faszien Elastizität und Steifigkeit
Kollagenbündel von jungen und alten Sehnen
Der dritte Faktor ist die Umstellung des faszialen Gewebes. Diese werden durch das Alter und Nicht-Belasten weniger elastisch, „verfilzen“ und schränken so die Beweglichkeit und Effektivität von Bewegungen ein.
Aber so muss es nicht sein. Training hilft uns, all diesen Negativitäten vorzubeugen und selbst im Alter fitter als manch Junger zu sein. Die Herz-Kreislauf-Gesundheit ist ein offensichtlicher Part und wurde bereits kurz angeschnitten. Im Folgenden soll auf die Trainierbarkeit und den zweiten großen Faktor, die Kraft, eingegangen werden.
Wodurch unterscheidet sich eigentlich ein Training eines älteren Fahrers von einem jungen?
Nun ja, vereinfacht gesagt: gar nicht. Das bezieht sich allerdings mehr auf die Methodik und die Trainingsprinzipien als auf den körperlichen Aspekt. Trainingsmethodisch bzw. von der Systematik gelten nämlich dieselben Vorgehensweisen wie bei einem jüngeren Klientel. Worauf im Training Acht gegeben werden muss ist, dass das Alter eine verlängerte Regenerationszeit beansprucht (abhängig vom Trainingszustand hat der eine aber auch hier eine längere Erholungsphase nötig als der andere – dies unterscheidet sich wieder nur in der Dauer im Vergleich zu jüngeren Vergleichssportlern). Ein weiterer Aspekt ist der erhöhte Verschleiß an Geweben, die altersbedingt genauso normal sind wie Falten im Gesicht (Schulter, Knie, Hüfte, Handgelenke, …). ABER Training hilft dabei diesen Gewebeabbau zu verzögern bzw. aufzuhalten. Nun ist es aber so, dass Radfahren ja als besonders schonende Sportart gilt. Das ist in diesem Fall Fluch und Segen zugleich. Denn da man wenig Belastung auf die Gelenke und die Muskulatur hat, kann man richtig viel Umfänge verarbeiten. Der Nachteil dabei ist, dass sich Strukturen wie Bindegewebe (Sehnen, Faszien), Knochen und Knorpel (die weitestgehend auch Bindegewebe sind) sehr begrenzt anpassen. Man wirkt der Degeneration des Gewebes (mit Ausnahme des Muskelgewebes) also nur bedingt entgegen. Das wäre aber wünschenswert, um das Verletzungsrisiko zu minimieren und um im Sport und Alltag belastungsverträglich zu bleiben.
Sind z.B. Sehnen kräftiger, werden diese einerseits bealstungsverträglicher (v.a. im Kniebereich bei Radfahrern interessant) und schützen andererseits auch Muskulatur, denn die Sehne läuft ja weiter in die Muskelfaszien hinein, welche durch hohe Belastungen sowohl kräftiger als auch bei einem ausreichend großen Bewegungsumfang im Training beweglicher werden. Damit dies passiert, gilt es eine einfache Regel zu beachten: use it or lose it! Um diese Strukturen belastungsverträglicher zu machen, müssen wir sie also belasten. Und das geschieht beim Krafttraining, denn eine derartige große Belastung ist durch das Radfahren nicht zu leisten.
Jeder, der eine über die Maßen langen Tour in Angriff nimmt oder nicht gewöhnt ist, stundenlang zu fahren und dann z.B. beim Ötztaler mitfährt, wird von einem mehrmonatigen/-jährigen Krafttraining (im Sinne eines Belastungstoleranztrainings) profitieren, da die Wahrscheinlichkeit eines Missverhältnisses im Gewebe von Belastbarkeit und Beanspruchung minimiert wird (die Entwicklung der Herz-Kreislauf-Kapazität für derart lange Touren bleibt einem durch spezifisches Radtraining natürlich nicht erspart 🙂
Das Krafttraining an sich muss dabei auch gewisse Intensitäten überschreiten. Es reicht keinesfalls ein bodyweight Training oder homöopathische Dosen von Gewichten. Ein Kraftausdauertraining von 15WH oder mehr ist als zu niedrigintensiv einzustufen (dieses wirkt dann auf muskulärer Ebene eher versorgungsoptimierend). Natürlich kann man nicht sofort in ein hartes Krafttraining einsteigen, aber man sollte auf jeden Fall mit dem Ziel starten mittels steigern der Gewichte in den sogenannten Hypertrophiebereich zu kommen. Für die Gesundheit am zielführendsten ist es, die Belastungsverträglichkeit über Monate hinweg aufzubauen und schlussendlich im Bereich von 8-12 Wiederholungen zu arbeiten bei 3-6 Sätzen pro Muskelgruppe/Übung. Das Gewicht soll dabei so gewählt werden, dass die Ausführung technisch einwandfrei möglich und bis zur spätestens 12. Wiederholung sehr fordernd oder ausbelastend ist.
Außerdem konnte Martel zeigen, dass der Ruheblutdruck bei einem 6-monatigen Krafttraining von 68jährigen reduziert wird. Zusätzlich dazu bilden sich mit zunehmender Muskelmasse oft auch neue Kapillaren aus, wodurch sich die VO2max und die O2-Nutzung deutlich verbessert (Hepple).
Greifen wir uns kurz die Kniebeuge heraus. In der klassischen Durchführungsvariante (dem sog. Back Squat mit der Langhantel hinten auf den Schulterblättern), werden sowohl die Wirbelsäule als auch die großen Gelenke der unteren Extremität belastet. Dadurch kommt es zu einer besseren Wassereinlagerung und Verstärkung der Bindegewebsfasern in den Knorpelstrukturen, was zu einer besseren Stoßdämpferfunktion und Belastungsverträglichkeit führt (in allen belasteten Gelenken und auch in den Bandscheiben). Außerdem unterstützt es die organische Gesundheit durch die Ausschüttung von Botenstoffen (Myokinen, z.B. Interleukin-6 schafft anti-entzündliches Milieu im Körper – s. letzter Krafttraining-Artikel). Man erkennt schon an dieser einzigen Übung, warum Krafttraining das effektivste verletzungsprophylaktische Mittel ist, sowohl für Sport als auch für Alltag.
Ab 45-50+ ist ein zusätzliches Krafttraining absolut empfehlenswert, um dem natürlichen Degenerationsprozess entgegenzuwirken. Alle Untersuchungen zeigen, dass die Abnahme an Querschnittsfläche und Kraft ab dem 55. Lebensjahr im Vergleich zu vorher überproportional voranschreitet. Das bedeutet, je früher man beginnt, diesen Prozessen entgegenzuwirken, desto besser.
Frauen profitieren auch sehr von zusätzlichem lastenorientierten Krafttraining. Sie können die meist geringere fasziale Festigkeit (ausgelöst u.a. durch das Hormon Relaxin) mittels muskulärer Stabilität kompensieren.
Je höher die ausdauerorientierten Trainingsumfänge sind, desto wichtiger ist es, dass die Strukturen das auch tolerieren. Da für Anpassungen von passiven Strukturen 4-6 Monate einzurechnen sind, kann man sich auch vorstellen wie wichtig die Regelmäßigkeit und Konstanz eines Krafttrainings ist. Man kann nicht in den Wintermonaten auf Vorrat trainieren und im Sommer vom Krafttraining pausieren. Aber die gute Nachricht ist, dass bereits ein einmaliges wöchentliches Training von 40min reicht, die aufgebauten Strukturen zumindest zu erhalten.
Jetzt darf man beim Begriff Krafttraining aber auch keinen Bodybuilder im Kopfkino zulassen, der á la Robert Förstemann durch die Alpen radelt, denn das wird nicht passieren – versprochen. Die Auswirkungen eines 1-3-maligen 40minütigen Krafttrainings sind überschaubar, noch dazu bei einem überproportional hohen Anteil an Ausdauertraining. Dafür müsste man deutlich mehr Zeit und Mühe investieren. Hier kommt nicht so sehr der Muskelaufbaucharakter zur Geltung als vielmehr die Entwicklung des Bindegewebes. Dadurch bleibt bei diesem vorgeschlagenen Training (s.u.) auch die Kompatibilität mit einem Grundlagenausdauertraining erhalten, da man durch die geringe Reizsetzung wenig/kaum in die Stoffwechselsysteme des Muskels eingreift.
Basis-Trainingsplan für ausgeglichene Gelenkstrukturen (sobald man eine ordentliche technische Einführung erhalten hat, kann man diese Übungen auch gut zu Hause mit entsprechenden überschaubaren Anschaffungen durchführen)
Ganzkörperaufwärmen
Mobilisation (BWS, Schulter, Hüfte, Sprunggelenk)
Kniebeugen (so tief wie technisch einwandfrei möglich)
Kreuzheben
Rudern
Butterfly/Flys (mit max. Bewegungsumfang für die Beweglichkeit)
Schulterdrücken (sauber überkopf führen bei maximal aufgerichteter Brustwirbelsäule)
Hyperextension
- Als Trainingsbeginner starte 1-2x pro Woche mit je 2x 20WH ohne dich auszubelasten
- Nach 6-8 Wochen: plane fix 2x pro Woche ein und steigere das Gewicht schrittweise bis du die 20. Wiederholung gerade noch schaffst.
- Nach weiteren 6-8 Wochen: reduziere die Wiederholungsanzahl auf 15, d.h. das Gewicht wird weiter gesteigert
- Nach weiteren 12-15 Wochen: reduziere die Wiederholungsanzahl auf 8-12, d.h. das Gewicht wird weiter gesteigert, die Ausführung muss aber technisch weiter top sein
- Bleibe in dieser range und wechsle gern alle 6-8 Wochen, sodass ein Zyklus lang die 12. Wiederholung die ca. letztmögliche ist und ein Zyklus, wo die 8. die letztmögliche Wiederholung darstellt. Danach wieder umgekehrt.
Zusätzlich zum Krafttraining, kann ganz das Ausdauertraining ganz normal durchgeführt werden. Normalerweise sollte ein Krafttraining immer vor dem Ausdauertraining erfolgen, wenn es am selben ansteht, da es viel mehr neuronale Fähigkeiten benötigt. Da der Fokus aber sicher auf der Entwicklung der Ausdauer liegt, ist es auch nicht schlimm, wenn dies hin und wieder umgekehrt stattfindet (allerdings wäre es gut, einen Erholungszeitraum nach der Ausdauereinheit einzuplanen und das Krafttraining nicht nach einer 5-stündigen Einheit zu absolvieren).
Beispielplan für ein ausgewogenes Training eines Masterathleten:
Tag 1: 2,5h Grundlagentempo mit:
- 3x (1min @115%FTP+2min @110%FTP) dazwischen genug Pause: 4min @60%FTP
- 15min @50-55%FTP
- 2x (1min @115%FTP+2min @110%FTP) dazwischen genug Pause: 4min @60%FTP
Tag 2: 3,5h Grundlagentempo mit:
- 4x 10min @84-90%FTP Tempo, dazw. 12-20min Pause @55%FTP
Tag 3: lange niedrige Grundlageneinheit
Tag 4: Pause (Krafttrainingsmöglichkeit)
Tag 5: lange Bergfahrt (3-5h), darin:
- 3-5x 12min @85-95%FTP und 55-65U/min, dazw. mit höheren Umdrehungen und geringerer Leistung weiter oder locker abfahren und/oder 10-20min mit normaler Kadenz im Grundlagenbereich vor dem nächsten 12min Intervall
Tag 6: Rekom-Fahrt 1-3h (Krafttrainingsmöglichkeit)
Tag 7: Pause (Krafttrainingsmöglichkeit)
Warum benötigen ältere Menschen mehr Protein?
Im Zentrum des Muskelschwunds stehen wie oben erwähnt die schnellen (Typ II) Muskelfasern (s.o.). Der somit verminderte Energiebedarf (-25%) im Alter erfordert angepasste Mahlzeiten mit erhöhter Nährstoffdichte. Ein täglich erhöhter Proteinkonsum stimuliert den Muskelaufbau und verhindert altersassoziierter Muskelverlust (Sarkopenie). Forschungen zeigen eindeutig, dass alleinig Proteinkonsumation bereits die Muskel-Protein-Synthese anregt. Das heißt nicht, dass man durch Protein-Mast Muskelmasse aufbaut, denn das funktioniert nicht, aber dem Muskel-Protein-Breakdown (dem Muskelabbau) gegensteuert. Nimmt der Abbau aber überhand, ist wohl ziemlich klar, was passiert. Wackerhage (2017) spricht von 40g Protein nach dem Training und MINDESTENS 1,2g/kg Körpergewicht pro Tag.
Eine besondere Rolle spielt Leucin, welches erwiesenermaßen eine besondere Rolle in der Aktivierung der Muskelproteinsynthese spielt. Bei guten Eiweißquellen wie hochwertiges Bio-Whey sind alle essentiellen Aminosäuren zur Genüge vorhanden, ansonsten kann es Sinn machen BCAAs zu supplementieren. Dies kommt aber nur zu Tragen, wenn man es nicht schafft, über eine ausgewogene Ernährung den Bedarf zu decken.