Der Hungerast, bonking, sich leer fahren, der Mann mit dem Hammer…irgendeinen dieser Ausdrücke hat man wahrscheinlich schon mal gehört, gelesen oder sogar selbst erfahren. Der Zustand, bei dem es dazu kommt, dass der Stoffwechsel kaum mehr Energie aus dem glykolytischen (zuckerabbauenden) Weg ziehen kann, weil die Reserven sich zu Ende neigen und kein weiterer Zucker von außen kommt.
Glykogen: der Glykogenspeicher beschreibt den gespeicherten Zucker, den wir aus der Nahrungsaufnahme durch Kohlenhydrate bzw. diverse Zuckerarten in der Muskulatur und in der Leber anlegen. Je nach Größe, Muskelmasse und Leistungszustand variiert die Größe dieses Speichers. Dieser Speicher ist sozusagen der Tank für unseren zuckerabhängigen Energiebereitstellungsweg, aus dem wir pro Zeiteinheit sehr viel Energie und somit Leistung erzeugen können. Wenn dieser Tank leer ist, müssen wir ihn – genau wie bei einer Maschine – wieder mit Zucker/Kohlenhydraten befüllen. Außerdem wirkt der Glykogenspeicher als eine Art Regulator (Ortenblad, 2015). Wenn er weniger wird, wird auch der Energieumsatz (ATP Produktion) vom Muskel gedrosselt, um zu vermeiden, dass plötzlich keine Energie mehr zur Verfügung gestellt werden kann, das ist der Zeitpunkt, ab dem dann die von außen zugeführten Zucker für die Energiebereitstellung extrem wichtig werden. |
Glucose: Glucose (Traubenzucker) ist neben Fructose (Fruchtzucker) und Galactose (Schleimzucker) einer der drei Einfachzucker, aus denen alle Zucker und Kohlenhydrate aufgebaut sind. Wenn wir etwas Kohlenhydrathaltiges oder Zucker zu uns nehmen, muss der Körper dieses in die Einfachzucker aufspalten, um es aufnehmen zu können. Unseren Zellen können allerdings nur Glucose verwerten, wodurch Fructose und Galactose in der Leber erst umgebaut werden müssen und es etwas länger dauert bis diese uns als Energie zur Verfügung stehen. Unterschied Zucker vs. Kohlenhydrate: es gibt keinen Unterschied in den Molekülen nur in der Länge der Ketten und somit in der Geschwindigkeit in der sie ins Blut gehen können. Kohlenhydrate sind langkettige Glucose-Ketten, Zucker sind kurzkettige Einfachzucker. |
Glykolyse: Der Abbau von Glucose zu Energie |
Was ist die perfekte Verpflegung im Radsport?! DASS man sich verpflegen muss, sollte jedem bewusst sein. Bereits Ende der 90er und in den 2000er Jahren gab es zahlreiche Untersuchungen, die den leistungssteigernden Effekt von Kohlenhydrat-/Zuckerzufuhr eindeutig belegten. Seither gibt es eine wahre Flut an Studien zu diesem Thema.
Bei den Profis wird nichts mehr dem Zufall überlassen und die notwendigen Mengen aufs Gramm genau berechnet. Was passiert, wenn man die Zufuhr vergisst oder es nicht möglich ist, sieht man auch des Öfteren bei den Rennen, wenn Fahrer plötzlich völlig abrupt vom Tempo gehen (müssen).
Ging man früher davon aus, dass 60-90g/h die maximal mögliche Zufuhr ist, die der Körper aufnehmen kann, hört man Angaben von mittlerweile 120g/h oder sogar höher. Allerdings ist bei derart hohen Mengen Vorsicht geboten. Einerseits bleibt die Frage, ob diese hohen Verabreichungen nur toleriert oder auch in den Körper aufgenommen werden. Es ist grundsätzlich keine Schwierigkeit einmalig so viel zu essen. In Form von Kuchen oder Teigwaren haben das wohl alle schon vollbracht. Dabei sollte es einleuchtend sein, dass diese Mengen nicht sofort dem Muskel zur Verfügung stehen, sondern erst verdaut und über den Darm aufgenommen werden müssen. Hier liegt auch die Crux an der Sache. Wenn wir am Rad 120g zuführen, heißt das also nicht zwangsläufig, dass wir unseren Muskeln 120g in der Stunde zur Verfügung stellen, sondern erstmal nur, dass wir diese gegessen haben. Je nach Zusammensetzung der zugeführten Nahrung und der individuellen Möglichkeiten gehen laut Untersuchungen 1,3-1,8g/min an Zuckern durch die Darmwand hindurch ins Blut. Der Rest bleibt im Darm liegen bis auch diese Moleküle diesen passieren können. Es ist also naheliegend, dass jemand, der diese Mengen weder gewohnt noch in der Lage ist aufzunehmen, relativ rasch ein Problem im Magen-Darm-Bereich bekommen wird.
Wie misst man das eigentlich? Möchte man genau wissen, wieviel Zucker man aufnehmen kann, gibt es theoretisch die Möglichkeit, die Kohlenhydrate, oder genauer die Kohlenstoffe (C) der Kohlenhydrate, mit Isotopen zu markieren. Das heißt, man trinkt Kohlenhydrate in einer Form, die man dann in der Ausatemluft über das CO2 nachweisen kann. Da sowohl „normaler“ Kohlenstoff (C) also auch der markierte Kohlenstoff in der Atemluft nachgewiesen wird, kann man exakt berechnen, wieviel Kohlenhydrate aus den Speichern und wieviele aus der zugeführten Menge verstoffwechselt wurden. Theoretisch deshalb, weil ein Fläschchen mit markierten Kohlenhydraten um die 1000Eur kosten. Daher ist es eher der high end Forschung vorbehalten. |
Wieviel ist also möglich zuzuführen UND aufzunehmen. Wie (fast) immer lautet die Antwort, es kommt darauf an.
Wir haben in der Darmwand Kanäle, welche Glucose in die Blutbahn überführen, und Kanäle, welche Fructose überführen (Galactose lassen wir hier außen vor, da sie für die Zwecke des Radfahrens kaum relevant und somit nur in vereinzelten Produkten zu finden sind). Bis Anfang der 2000er ging man davon aus, dass es unmöglich ist, größere Mengen als 60g/h aufzunehmen. Man konnte in Untersuchungen beobachten, dass weder die Zufuhr das Problem darstellte, noch dass die Aufnahme des Muskels das Nadelöhr darstellte, denn wenn man den Zucker durch Infusionen in den Körper brachte, konnte dieser deutlich mehr verwerten. Früher wurde auch den Fahrern bei Etappenrennen Zuckerlösungen durch Infusionen verabreicht, um die Speicher schneller wieder zu füllen. Durch die no needle policy ist das heutzutage mit den Anti-Doping-Regeln nicht mehr zu vereinbaren.
Daher wandte man sich auf der Suche nach dem Grund der Darmwand zu und den Transportmechanismen. Derzeit geht man davon aus, dass der Glucose-Kanal mit 1g/min oder 60g/h gesättigt ist. Auch hier sind Angaben immer Mittelwerte, d.h. dass es auch zu einer gewissen Streuung kommen kann und einzelne vielleicht 58g/h oder 63g/h aufnehmen können, hier ist die Forschung noch nicht am Ende angelangt. Außerdem ist es notwendig – so wie Profis das machen – den Magen-Darm an diese dauerhaften Mengen zu gewöhnen, damit überhaupt die Chance besteht, diese aufzunehmen. Denn eine regelmäßige hohe Aufnahme führt zu verbesserter Entleerung des Magens, besserer Absorption, weniger Übelkeit und weniger Darmprobleme (Jeukendrup, 2017). Dadurch, dass der Glucose-Kanal bei 60g/h als gesättigt gilt, gibt es nur einen weiteren Weg noch mehr Zucker in den Körper zu bekommen, nämlich den zweiten Kanal zu bedienen, welcher Fructose durchschleust. Daher bestehen im Wesentlichen alle Sportnahrungsprodukte aus einer Glucose (oder sich gleich verhaltenden Molekülen wie Maltodextrin) und Fructose Mischung.
Maltodextrin ist ein längerkettiger Zucker, der sich aber wie der Einfachzucker Glucose verhält, also sehr schnell ins Blut übergehen kann. Dabei hat Maltodextrin (oder oft einfach „Malto“ genannt) den Vorteil, dass es deutlich weniger süß schmeckt, denn je kürzer ein Zucker, desto süßer schmeckt er. Ein weiterer Vorteil ist, dass bei Maltodextrin durch seine Größe (weil ja längerkettig) weniger Teilchen in derselben Flüssigkeitsmenge benötigt werden, um dieselben Menge Glucose zu liefern. Dadurch ist die Teilchenkonzentration in der Flüssigkeit geringer und die Aufnahme von Flüssigkeit (und Zucker) funktioniert etwas besser, weil sie konzentrationsabhängig ist. |
Die Aufnahme von Kohlenhydratgemischen (Glucose und Fructose) beinhaltet mehrere nachgewiesene Vorteile:
- Verbesserte Kohlenhydratverfügbarkeit
- Späteres Einsetzen von Müdigkeit
- Verbesserte Leistung
- Verbesserte Magenentleerung
- Verbesserte Flüssigkeitsaufnahme
- Verminderte Magen-Darm Beschwerden
(Jeukendrup, 2010)
In welcher Form man es zu sich nimmt, scheint egal zu sein. Studien zeigen keine wesentlichen Unterschiede bei den Verstoffwechslungsraten in diversen Kombinationen von Gel-Wasser-Sportgetränk-Riegel. (einzig die Riegel dürfen dabei nur wenig bis keine Ballaststoffe, Proteine und Fette enthalten)
Pfeiffer et al (2010)
Aber ist mehr eigentlich überhaupt besser?!
Betrachten wir die Datenlage mal etwas genauer.
Wenn wir Kohlenhydrate bis zu 90g/h während der Belastung zuführen, reduziert dies merklich den Verbrauch unserer gespeicherten Kohlenhydrate, dem Muskelglykogen. Dies ist ein absolut gewünschter Effekt und wir sparen ca. eine halbe kcal aus den Glykogenspeichern für jede kcal aus zugeführten Kohlenhydraten. (Wallis et al, 2005)
2022 (Podlogar et al) erschien eine Untersuchung, welche verglich, ob derzeit standardmäßig verabreichte 120g/h im Fructose-Glucose-Verhältnis 0,8:1 die Glykogenspeicher länger schützt als eine 1:2 Mischung bei 90g/h.
Die Mischungsverhältnisse beruhen auf der Datenlage von vielen Studien in den letzten 10-20 Jahren (Jeukendrup, Wallis, Burke, Thomas, etc) und haben sich hinsichtlich der Zusammensetzung als deutlich effektiver präsentiert verglichen mit anderen Mischungen und Mischungsverhältnissen. Reine Glucose-Mischungen zeigen eine maximale Aufnahme bei 1g/min bzw. 60g/h, wobei wie bereits erwähnt leichte Abweichungen individuell möglich sind. Allerdings sind die 1g/min schon ein sehr robuster Wert und von von mehreren Forschungsgruppen bestätigt. Gibt man zusätzlich Fructose der Mischung hinzu liegt der Peak statt bei 1g/min eher bei 1,5g/min oder höher, da die Transportkanäle der Einfachzucker besser ausgenutzt werden können. Fructose Glucose Mischungsverhältnisse näher bei 0.8:1 scheinen nochmal etwas besser zu funktionieren als das herkömmliche 1:2 Verhältnis. Allerdings scheiden sich hierbei die Geister. Einerseits sinkt die Verträglichkeit bei mehr Fructosezusatz, d.h. mehr und mehr Individuen entwickeln gastrointestinale Übelkeit, je höher der Fructose-Anteil ist. Und andererseits wurden in den letzten 1-1,5 Jahren Untersuchungen publiziert, die die Sinnhaftigkeit derart hoher Mengen zumindest in Frage stellt. Es könnte nämlich davon abhängig sein, mit welchen Intensitäten und Schwankungen der Intensitäten man sich belastet. Ziel von externen Zuckerzufuhr ist es ja, die Leistungsabgabe über einen längeren Zeitraum zu maximieren und dafür gilt es auch die eigenen Speicher zu schonen bzw. langsamer abzubauen. Wenn man die Zugabe von den lange als Maximum geltenden 90g/h steigert, spart das offenbar aber gar nicht mehr Glykogen, sondern es scheint, dass die sonst aus Fettoxidation stammende Energie durch noch mehr Energie aus Zuckeroxidation ersetzt wird (Podlogar, 2022). Es gibt sogar mehrere Untersuchungen, die einen beschleunigten Glykogenabbau durch höhere exogene Mengen (>90g/h) nachgewiesen haben, was das genaue Gegenteil dessen ist, was man sich erhofft (King et al, 2018 & 2019).
Also kommt bei gleicher Leistung ein höherer Anteil der Energie aus der Zuckerverwertung. Somit kann man wahrscheinlich schlussfolgern, dass der Fettstoffwechsel mehr oder minder etwas unterdrückt wird. (Podlogar et al, 2022)
Interessanterweise wurde auch gezeigt, dass bei 120g/h nur ca. 75% oxidiert (verbraucht) werden (Podlogar et al 2022, Hearris et al, 2022). Das bedeutet, dass 25% (30g) gar nicht in den Energiebereitstellungsprozess fließen. Einerseits könnte diese Menge im Muskel gespeichert werden und deswegen in der Atemgasanalyse nicht aufscheinen. Das ist aber sehr unwahrscheinlich, weil die Intensitäten in den Untersuchungen relativ hoch waren, der Einbau Energie erfordert und frei zugänglicher Zucker vom Muskel normalerweise verbraucht anstatt gespeichert wird. Andererseits, und dies ist viel naheliegender, könnte es sein, dass diese 30g gar nicht den Weg in die Blutbahn finden und im Darm liegen bleiben, bis sie mengenmäßig die Darmschleimhaut passieren können. Was weiter bedeutet, dass bei hohen Mengen über eine längere Zeit das Risiko für Magen-Darm-Beschwerden deutlich steigt.
Man muss erwähnen, dass in den Studien bei (wenigen) Individuen auch Oxidationsraten von 1,9g/min gemessen wurden (114g/h), die meisten aber im Bereich von 1,6g/min (96g/h) lagen. Es gab aber auch Individuen, die nur 1,3g/min (78g/h) oxidierten. Außerdem muss man erwähnen, dass auch bei 90g/h nicht 100% oxidiert werden, allerdings deutlich mehr als bei 120g/h nämlich ca. 86%, das bedeutet 13g vs. 30g, welche nicht im Oxidationsprozess aufscheinen. (Podlogar et al, 2022)
Was ist die Konsequenz aus diesem Wissen und v.a. warum betreibt das gesamte Peloton trotzdem diesen Aufwand und forciert 120g/h? Der Grund liegt in der Belastungsanforderung. Die Studien messen aus methodischen Gründen die Oxidationsraten bei konstanten Leistungsabgaben, welche auch relativ lang aufrechterhalten werden können. Den neueren Untersuchungen muss man zugutehalten, dass die Intensitäten bereits so gewählt wurden, dass man die Ergebnisse sehr wohl auf Leistungen im Bereich von mehrstündigen intensiven Wettkämpfen übertragen kann. Frühere Studien untersuchten teils relativ geringe Leistungen, was uns immer mit der Unsicherheit hinterlässt, ob man das auf den Wettkampf genauso übertragen kann. Das heißt bei konstant hohen Leistungserbringung wie Radmarathons, Langstrecken oder Triathlons, kann man aus diesen Ergebnissen zumindest hinterfragen, ob eine extrem hohe Kohlenhydratzufuhr Sinn macht und sich dem Risiko von Magen-Darm-Beschwerden aussetzt.
Ganz anders verhält es sich bei klassischen Straßenrad-Rennen bzw. im Pro-Peloton. Der Beruf verlangt es, dass die FahrerInnen täglich mehrere Stunden im Sattel verbringen. Dabei wird ein sehr großer Teil davon mit niedrigen Intensitäten gefahren gepaart mit wiederholten (hoch)intensiven Abschnitten. Ähnlich verhält es sich in den meisten (nicht allen) Rennsituationen. Ein hoher Anteil von niedrigintensiven Abschnitten und hohe und höchste Intensitäten. Dieser Mix ist dabei entscheidend, denn in den lockeren Stunden besteht sehr wohl für den Körper die Möglichkeit, die Glykogenspeicher wieder zu befüllen. Wie bereits beschrieben können Einzelne auch bis zu 120g/h oxidieren und wer es in die Weltelite schafft, bei dem ist zumindest die Wahrscheinlichkeit hoch, über ein sehr gut funktionierendes Aufnahmesystem zu verfügen.
Beeinflusst wird die Aufnahmefähigkeit auch noch von exogenen Faktoren wie z.B. Hitze, welche die Aufnahme- und auch Toleranzraten deutlich sinken lässt.
Reicht nicht auch die Apfelschorle? Der Trend zu „natürlichen“ Carbs scheint ungebrochen und ist auch nicht verwerflich. Steht die Leistung aber im Vordergrund, muss man das schon hinterfragen. Abgesehen davon, dass ein ziemlich simples Produkt aus Maltodextrin und Fructose mit Elektrolyten zwar industriell hergestellt ist, aber nicht hochverarbeitet ist. In der Regel wird „nur“ der Verdauungsprozess von meistens Mais- oder Kartoffelstärke nachgeahmt. Das Problem mit den unverarbeiteten Lebensmitteln (wobei Apfelsaft ja auch verarbeitet ist) besteht darin, dass der Fructose-Gehalt bei Säften oder die Art der Kohlenhydrate in festen Quellen einen massiven Unterschied in der Verfügbarkeit UND in der Verträglichkeit ausmachen kann. Wenn man das Risiko bei langen Ausfahrten hinter Büschen zu verschwinden minimieren möchte, sollte man doch eher auf Bewährtes zurückgreifen. Bei lockeren Ausfahrten sind feste KH-Quellen sicherlich kein großes Problem. Mit steigender Intensität oder bei Intervalltrainings, wo die Qualität des Trainings im Vordergrund steht, sollte man eher auf die Wissenschaft vertrauen. |
Generelle Empfehlungen lauten (Jeukendrup 2014):
WK-Dauer | KH-Menge | Art der KH | Mischung | Zusatzinfo |
30-75min | Kleine Mengen Mouth rinsing* | Einzelzucker oder Multiple Zucker | Nur Glucose Oder bis zu 1:1 Mischungen | |
1-2h | 30g/h | Einzelzucker oder Multiple Zucker | Glucose oder Maltodextrin oder Kohlenhydrat-Mischungen | |
2-3h | 60g/h | Einzelzucker oder Multiple Zucker | Glucose oder Maltodextrin oder Kohlenhydrat-Mischungen | Zufuhrtraining empfohlen |
>2,5h | 90g/h (od. höher) | Ausschließlich Multiple Zucker | 2:1 bis 1:08 Glucose : Fructose Bzw. gleich wirkende Zuckermischungen | Zufuhrtraining essentiell |
*Mouth rinsing bezeichnet ein Spülen des Mundraums mit süßen Sportgetränken. Die Flüssigkeit muss nicht / kann aber geschluckt werden. Man hat festgestellt, dass durch diesen Vorgang nochmals Glykogenreserven mobilisiert werden können.
GI Distress / Magen-Darm-Probleme
Neben den externen Faktoren zählt auch die tägliche Ernährung zu Einflussfaktoren, ob hohe Mengen (egal ob 80g, 90g oder 120g pro h) toleriert werden oder nicht. Oft sind es selbstgewählte Routinen, welche Radfahrer bereits wählen, um keine Unannehmlichkeiten am Rad zu erwarten wie Seitenstechen, Völlegefühl, Blähbauch, Übelkeit, etc.
Reduktion von Gluten, Milchprodukten, Ballaststoffen und gärfähige/fermentierbare Mehrfach-, Zweifach-, Einfachzucker und Plyole (FODMAPs = häufig vorkommende, kurzkettige, fermentierbare Kohlenhydrate, v.a. in pflanzlichen Lebensmitteln wie Weizen, Gerste, Roggen) waren oft erwähnte Strategien bei AusdauersportlerInnen, um GI Probleme zu vermeiden (Parnell et al, 2020; Scrivin et al, 2022). Man sollte aber nicht den Rückschluss ziehen, diese erwähnten Bestandteile völlig aus der Ernährung auszuschließen, denn eine langfristige Reduktion der FODMAPs resultiert höchstwahrscheinlich in einer negativen Beeinflussung des Mikrobioms im Darm (Cox et al, 2020). Daher sollte sich die Einflussnahme der Ernährung auf die Wettkampftage beschränken. Denn v.a. die Nahrungsaufnahme in den Stunden vor der Belastung zeigte oft Einfluss auf den Magen-Darm-Zustand, ob dieses schlecht oder gut ist. Das Timing von Mahlzeiten davor sollte gut gewählt sein, Fett, Protein und Ballaststoffe nicht mehr konsumiert werden. Falls Koffein geplant ist, sollte dies im Training mehrmals getestet worden sein, denn auch eine ungewohnt hohe Dosis ist assoziiert mit Magen-Darm-Problemen. Eine Faustformel für die Einnahme einer Mahlzeit (meist betrifft dies das Frühstück) lautet 3g/kg, wenn 3h vor Start, 2g/kg, falls diese Mahlzeit 2h vor Start konsumiert wird oder 1g/kg, falls 1h vorher gefrühstückt wird. Das können noch leicht verdauliche Kohlenhydrate wie Reispudding, eingeweichte Haferflocken (beides eher mit Wasser oder veganen Drinks), ein Marmelade-/Honigbrötchen, etc. sein. Prinzipiell sollte das Verwendete bereits bewährt und getestet sein. Der zugrundeliegende positive Effekt lässt sich vermutlich auf den verbesserte Leberglykogen-Zustand danach zurückführen.
Train the Gut
Um die Wahrscheinlichkeit von Magen-Darm-Problemen zu minimieren und die Toleranz bzw. Aufnahmewahrscheinlichkeit zu maximieren, kennt man wahrscheinlich den Begriff Train the Gut, also den Darm trainieren, damit er mit den Kohlenhydratmengen bereits im Training konfrontiert wird bzw. man langsam immer mehr zuführt, damit sich das ganze System darauf einstellt.
Aus klinischen Situationen weiß man um die Adaptabilität von Magen und Darm auf die Menge der eintreffenden Nahrung. Das ließ sich auch auf spezifische Situationen wie Magenentleerung bei gezielter Glucosegabe nachweisen, d.h. je öfter man es übt, desto schneller gibt der Magen die zugeführten Zuckermengen an den Darm ab. Da sich diese Untersuchungen aber auf den klinischen Bereich fokussierten, wurden diese auch in Ruhe und nicht unter Belastung durchgeführt. Tatsächlich ist – trotz anerkannter Strategie, um im Wettkampf hohe Mengen zu tolerieren – die Datenlage für ein Train the Gut ziemlich eingeschränkt. Einen recht guten Hinweis liefert eine Studie an Läufern von Costa und Kollegen (2017) mit einer methodisch sehr gut durchgeführten Untersuchung, allerdings war die Probandengruppe recht klein mit 10 Personen pro Gruppe (Glucose-Gel, Glucose in anderer Form, Glucose-Placebo). Wenn man alles existierenden Untersuchungen nimmt, scheint es vorteilhaft zu sein mindestens 3-5 Trainings mit hohen Gaben in den letzten 1-2 Wochen vorm Wettkampf zu inkludieren.
Carboloading
Eine kohlenhydratreiche Ernährung in den Tagen vorm Wettkampf zeigt unbestritten Vorteile und deutlich gefülltere Speicher als üblich. Dabei wurden Kohlenhydratmengen von 8-12g/kg Körpergewicht pro Tag als optimal angesehen, abhängig vom Trainingszustand. Etwas Vorsicht ist bei diesen Mengen geboten, den eine high carb diet sollte nicht in eine high kcal diet ausarten, um eine Körperfettzunahme vorm Wettkampf nicht noch zu begünstigen. Da 10g/kg/d oder höher bei einem 70kg Radfahrer bereits 2800kcal bedeuten (Trainingskalorien bzw. -kohlenhydrate fallen nicht in diese Rechnung) sieht man bereits, dass kaum Platz für Fett und/oder Protein bleibt. Daher lautet die Empfehlung immer high carb + low fat, dafür ein bisschen mageres Protein. Eine der führenden Wissenschafterinnen in Bezug auf Ernährung im Ausdauersport Louise Burke fasst es folgendermaßen zusammen:
- Bei Wettkampfdauer <90min profitiert man von 7-12g/kg/d in den letzten 24h vor dem Event
- Bei Wettkampfdauer >90min profitiert man von 10-12g/kg/d in den letzten 36-48h vor dem Event
Recovery/Wiederbefüllung der Speicher Untersuchungen zeigen den besten – gleichbedeutend mit em schnellsten – Glykogenwiederaufbau bei sofortigem Zuführen von 1-1,2g/kg/h Zucker bzw. Kohlenhydraten (in kurzkettiger Form) in den den ersten 4h nach der Belastung. Denn je schneller die Speicher gefüllt werden, desto schneller ist man wieder leistungsfähig.