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Mitochondrien

los gehts

Die einzig nutzbare Energieform, die unsere Muskeln direkt antreibt, ist Adenosintriphosphat, kurz ATP. Wenn wir Kohlenhydrate/Zucker oder Fett zu uns nehmen (Proteine, welche in der Regel hauptsächlich als Baustoff verwendet werden, lassen wir hierbei außer acht), wird dies in ATP umgewandelt oder – falls keine zusätzliche Energie benötigt wird, weil wir mehr zu uns nehmen als wir (ver)brauchen – gespeichert. 

Egal ob Langzeitausdauer oder 100m Sprint, jeder Athlet nutzt erstmal die schnellstmögliche Energiebereitstellung von ATP, dem Abbau von Kreatinphosphat (KP), welches in kleinsten Mengen gespeichert ist und nur Sekunden zur Verfügung steht, bevor die Kohlenhydrate (KH) und schließlich Fette (F) den Hauptanteil an der Energiebereitstellung gewährleisten. Während Sprinter hohe Leistungen generieren müssen und mit (den schnellen anaeroben Prozessen über) KP und KH Auslangen finden, wird es für Radfahrer/Ausdauerathleten erst danach richtig interessant. Denn je länger die Aktivität dauert, desto mehr ATP muss über den deutlich effizienteren aber langsameren aeroben Weg bereitgestellt werden. Die entscheidenden Strukturen sind hierbei die Mitochondrien, die für Sprinter zu lange brauchen, um in die Gänge zu kommen und selbst wenn, würden sie das nötige ATP einfach zu langsam produzieren für die nötige Intensität. Daher muss selbst ein Rad-Sprint am Ende einer langen Etappe über den anaeroben Stoffwechsel stattfinden, denn hohe Wattwerte benötigen viel ATP in kurzer Zeit, dies kann der aerobe Stoffwechsel über Mitochondrien nicht leisten.

Aber zurück zu den Mitochondrien. Spätestens seit Pogacars Tour de France Siegen und den Aussagen seines Performance Coachs Inigo San Millan, sind die kleinen Strukturen in aller Munde.

Fälschlicherweise in der Trainingslehre oft als bohnenartige Gebilde dargestellt, sehen Mitochondrien im Muskel eher wie eine Masse Spaghetti aus, welche sich durch die Muskelfasern ranken, um diese effizient mit Energie zu versorgen. Je länger und besser sie miteinander verbunden sind, umso besser können sie ATP erzeugen. Dabei sind sie auch höchst adaptiv. Sie sind nämlich sehr gut trainierbar, sodass bereits nach 14 Tagen morphologische (sichtbar in der Struktur) Veränderungen stattfinden. Sogar nach einer einzigen Einheit lassen sich Veränderungen in der mitochondrialen Masse beobachten (Picard, 2013), wobei die Mitochondrien zuerst in die Breite wachsen und nach Erreichen einer kritischen Masse in die Länge. 

Aber auch das Gegenteil ist der Fall. In Trainingspausen verliert man auch rasch wieder. Die Halbwertszeit von Mitochondrien beträgt lediglich 1-2 Wochen. Fehlt also der konstante Reiz, verschlechtert sich die Dichte schon mal von top auf mittelmäßig. Auch für Profis ist es nicht einfach, das Niveau zu halten, denn wenn man seine Möglichkeiten schon ausgereizt hat (Umfänge, Intensitäten, genetische Möglichkeiten), benötigt es schon Raffinesse, um noch zusätzlichen Stress und Wachstum zu erzeugen.

Auf jeden Fall lässt sich aus beiden Erkenntnissen ableiten, wie wichtig regelmäßiges Training ist, um diese Masse aufzubauen und zu erhalten. Nämlich deutlich wichtiger als hin und wieder zu fahren, dafür lang.

Mehr mitochondriale Dichte und bessere Funktion ist die Voraussetzung für eine verbesserte oxidative Kapazität und somit für schnelleres Rennradfahren. Mitochondrien verändern sich bzw. passen sich durch vielerlei Einflüsse an, wie Ernährung, Hypoxie, Training, Alltagsbelastung, etc. 

Dem Training wird dabei ein großes Potential zugeschrieben, dies zu beeinflussen. Denn allein dem allgemeinen (Ausdauer-)Training wird eine Verbesserung der Energiebereitstellungsleistung von bis zu 25% in den Mitochondrien attestiert. Dabei ist es egal, welche Art von Training. Die Veränderung betrifft die etwas komplexe Energiebereitstellung durch die Atmungskette innerhalb der Mitochondrienmembran. Das Training wirkt dort konkret auf die maximale Aktivität eines Proteins (bzw. auf den max. Elektronenfluss), welches für die Energiekapazität aus Fett verantwortlich ist. 

D.h. durch den allgemeinen Trainingsreiz verändert man schon erheblich die Mitochondrienleistung. Ein konkretes HIIT beeinflusst ebenfalls die Atmungskette, in einem anderen Teil der enzymatischen Abläufe. Dort kann die Leistung um ebenfalls bis zu 25% angehoben werden kann. Der Effekt von klassischem Grundlagentraining beträgt hier hingegen „nur“ 9%. 

Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass Grundlagentraining nicht sinnvoll ist. Denn man weiß, dass man die Sauerstoffaufnahme (VO2peak) mittels unterschiedlicher Trainingsmethodiken ziemlich gleich gut verbessern kann. HIIT wirkt sich aber im Gegensatz zum Grundlagentraining deutlich mehr auf den Sauerstofftransport in den Skelettmuskelzellen und den Mitochondrien aus und dort auf die Fähigkeit, mehr Fettsäuren zu verstoffwechseln. Während Grundlagentraining seine beste Wirkung durch hämatologische Veränderungen (Zusammensetzung des Bluts) entfaltet, also einfach auf einer anderen Ebene. Das Potential die Mitochondrienleistung bzw. -dichte und den Sauerstofftransport zur Muskelzelle positiv zu beeinflussen ist also enorm.

Mehr mitochondriale Dichte ist die Voraussetzung für eine verbesserte oxidative Kapazität, welche sich durch gezieltes Training einstellt. Um die Kapazität für den Fettsäure-Abbau zu stimulieren (Stichwort Elektronenfluss durch Flavoproteine in der Atmungskette), ist das wirksamste Mittel Training Dabei ist es sogar egal, welche Intensität das Training hat, high intensity wirkt dabei ebenso wie Grundlage (ca. 25% Effekt entfallen auf den Faktor „Training“). Das zweitwirksamste ist die sogenannte Elektronenflusskapazität, welche bei HIT Training zu ca. 25% anwächst (beim klassischen Grundlagentraining nur zu 9%). Das heißt nicht, dass Grundlagentraining nicht sinnvoll ist. Wirkt sich HIT Training v.a. auf den Sauerstofftransport in den Skelettmuskelzellen aus und dort auf die Fähigkeit, mehr Fettsäuren zu verstoffwechseln, entfaltet klassisches Grundlagentraining seine Wirkung durch hämatologische Veränderungen (Zusammensetzung des Bluts) also auf einer anderen Ebene.

Außerdem passen sich Mitochondrien auf den jeweils eintreffenden Stress an. Durch Grundlagentraining verbessert sich die Fähigkeit Fett als Energie zu nutzen und so die wertvollen KH Reserven zu schonen. Hochintensives Training reizt das globale Sauerstofftransportsystem und verbessert diese Kapazität. Wenn man also den jeweiligen Effekt des Trainings auf die Mitochondrien kennt, kann man dieses gezielt einsetzen, um den Leistungszustand möglichst gut zu entwickeln. Dabei sollte man beide erwähnten Trainingsarten kombinieren, um eine möglichst hohe Masse bei gleichzeitig hoher globaler oxidativer Kapazität zu erreichen. Ein polarisiertes Training wäre ein bekannter Ansatz dafür, wobei die Umfänge doch hochgenug sein müssten, um aus den niedrigintensiven Einheiten einen hohen Nutzen ziehen zu können.

Trainiert man wenig unter der Woche (aber man sollte trainieren), erzeugt eine lange (Wochenend-)Einheit bereits einen hohen physiologischen Stress und sowohl die Neubildung als auch der Austausch von alten Mitochondrienmaterial wird angekurbelt, wodurch die mitochondriale Masse ansteigt. Dieser Effekt kann sich bei Neu-/Wiedereinsteigern über mehrere Monate ziehen, bis es zu einer Abflachung des Effekts kommt. 

Findet das Training dann regelmäßig statt, profitiert man auch von einem Umbau bereits vorhandener Mitochondrien, indem sich die innere Oberfläche durch mehr Falten vergrößert und somit mehr Potential für aerobes Durchhaltevermögen liefert. 

Ausdauertrainierte weisen in der Beinmuskulatur im Vergleich zu Untrainierten deutlich mehr Falten in der Innenmembran der Mitochondrien auf. Mehr Falten bedeuten in dem Fall mehr Sauerstoffaufnahme im Muskel, durch u.a. mehr Bindungsmöglichkeiten für Enzyme, welche durch regelmäßiges Training ihrerseits eine bessere Funktionalität aufweisen (durch bessere Anordnung an der Membran). Gut Ausdauertrainierte setzen noch einen drauf und speichern im Muskel Fetttröpfchen näher an den Mitochondrien als weniger gut trainierte, um schnelleren Zugriff darauf zu haben.

Elitesportler können auch mittels Höhentraining einen neuen Stress setzen, wodurch es zu körperlichen Anpassungen kommt und mehr Sauerstoff zu den Muskeln und zu den Mitochondrien transportiert werden. Dadurch kommt es neuerlich zu einer Stress-Situation und Anpassung bei den Mitochondrien.

Ein einmonatiges Ausdauertraining in der Höhe ergibt ca. eine 6-8% Erhöhung des Mitochondrienvolumens und der -dichte. (Jacobs et al, 2016) Wobei die individuellen Anpassungsreaktionen stark differieren können.

Eine Trainingsmethode sorgt seit kurzem für Aufsehen, denn diese könnte sogar einen noch größeren Effekt haben, nämlich das Hitze-Training. Erste Untersuchungen zeigten eine deutlich verbesserte Leistung bei Fahrern, die Körperwärme speichernde Anzüge während eines 5x wöchentlich 50minütigen Trainings zusätzlich zum normalen Training, trugen. Die Vergleichsgruppen trainierten entweder in einer 38 Grad warmen Umgebung oder in normaltemperierter Umgebung. Lundby führt das auf die Produktion von sog. Heat Shock Proteins (HSPs) zurück, welche auf die mitochondriale Biogenese wirken. Allerdings sollte man vielleicht weitere Ergebnisse doch noch abwarten, bevor man sich in Plastikfolie gehüllt im Winter auf die Rolle begibt.

Verwendete Literatur

King, 2021. The key to endurance. Nature 592

Gunnarsson, 2019

Lundby & Jacobs, 2016

Jacobs et al, 2016

Skovegaard, 2016

Picard, 2013

Woche 10 – 20h

statt ausrollen kann hinten raus auch 1-2h Grundlage angehängt werden, v.a. Wochenende

off

15-20min warm-up 3x (8-10x30s @125-135%FTP mit 15s Pause @50%FTP); 5-10min Durchgangspause @55-60%FTP 10min ausrollen

Effekt: Anpassung in den Mitochondrien (Atmungskette)

Off oder 1,5h locker

10min warm-up 4x4min @105-110%FTP, 2min Pause @50-55%FTP 45min @58-63%FTP

Effekt: Glykogenspeicher angreifen und dann Grundlage stimuliert Mitochondrien-Abbau und folgend den Neuaufbau

20min @60%FTP 6x 30s all-out mit 2-4min Pause @58-64%FTP 60min @58-63%FTP

Effekt: Hochregulierung von PGC-1alpha mRNA (reguliert Mitochondrienneubildung)

20min warm-up 4-5x (10min @58%FTP, 20min @64-68%FTP) 20min ausrollen

Effekt: Hämatologische Anpassung

20min warm-up 4x (12min @88-93%FTP, 10min @57-65%FTP) 20min ausrollen

Effekt: Glykogenspeicher angreifen und dann Grundlage stimuliert Mitochondrien-Abbau und folgend den Neuaufbau

Woche 6 – 10h

am Wochenende kann eine lange Einheit durch Erweiterung im Grundlagenbereich nach der Einheit gemacht werden

off

15-20min warm-up 3x (6-8x30s @125-135%FTP mit 15s Pause @50%FTP); 10min Durchgangspause @55-60%FTP 10min ausrollen

Effekt: Anpassung in den Mitochondrien (Atmungskette)

Off oder 1h locker

10min warm-up 4x3min @105-110%FTP, 1,5min Pause @50-55%FTP 45min @58-63%FTP

Effekt: Glykogenspeicher angreifen und dann Grundlage stimuliert Mitochondrien-Abbau und folgend den Neuaufbau

20min @60%FTP 6x 30s all-out mit 2-4min Pause @58-64%FTP 60min @58-63%FTP

Effekt: Hochregulierung von PGC-1alpha mRNA (reguliert Mitochondrienneubildung)

20min warm-up 4x12min @64-68%FTP, dazw. 10min @58%FTP 20min ausrollen

Effekt: Hämatologische Anpassung

20min warm-up 4x (8min @88-93%FTP, 12min @57-60%FTP) 20min ausrollen

Effekt: Glykogenspeicher angreifen und dann Grundlage stimuliert Mitochondrien-Abbau und folgend den Neuaufbau

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