Laktat hat seit jeher einen zweifelhaften Ruf, es wird eher negativ gesehen und als etwas, was unbedingt zu vermeiden ist. In den Anfängen wurde noch die Milchsäure als Stoffwechselendprodukt, und als Hauptermüdungsfaktor durch Übersäuerung gesehen. Sogar zu Zerstörung von Mitochondrien soll dies geführt haben. Heute wissen wir, dass der letzte Punkt sogar gegenteilig ist, aber dieses Bild hat sich in den letzten Jahrzehnten festgesetzt.
Dabei kann Laktat paradoxerweise indirekt sogar hilfreich in der Ausbildung aerober Leistungsfähigkeit sein. Leider hat sich sein Ruf aber noch nicht rehabilitiert. Wie bereits in anderen Artikeln erwähnt, wachsen und vermehren sich Mitochondrien nämlich sehr gut durch HIIT Training. Laktat als Signalmolekül spielt dabei eine wichtige Rolle, da es in der Zellanpassung hunderte Gene ansteuert.
Bereits 2009 verfassten Autoren der Deutschen Sporthochschule Köln einen Artikel über die damalig moderne Betrachtungsweise von Laktat und kritisierten das Heranziehen der Laktatleistungskurve als alleinige Darstellung von Leistungsfähigkeit. Denn nicht nur die Leistungsfähigkeit verändert die Produktionsrate, sondern auch Ernährung, Muskelfasertypen und deren Querschnittfläche, Mitochondriendichte, pH-Wert, Dichte und Funktionalität von Laktattransportkanälen, Ausprägung von Laktatabbauenzymen, Blutfluss, etc. um nur einige zu nennen. Man merkt, diese Art der Diagnostik als alleiniges Mittel ist etwas zu kurz gegriffen. Über ein Jahrzehnt später haben sich diese Erkenntnisse aber noch immer nicht weitreichend durchgesetzt. Dabei konnte bereits vor 25 Jahren gezeigt werden, dass eine geringere Blutlaktatkonzentration bei Trainierten nicht unbedingt durch eine geringere Produktion bedingt ist, sondern durch eine bessere Verwertung über die Gluconeogenese (Zuckerneubildung aus Laktat) zustande kommt.
Eine Arbeit von Brooks (2020) attestiert dem Stoffwechselprodukt Laktat zumindest drei Aufgaben, zwei metabolische (mit Energieproduktion zusammenhängend), und eine regulative (als Steuerungsfunktionen für die Zelle):
- Es ist eine Energiequelle für die Mitochondrien
- Es stellt die Hauptquelle der Gluconeogenese dar (Neubildung von verwertbarer Glucose = Zucker, also Energie)
- Es ist ein Signalmolekül und wird manchmal als Lactormone bezeichnet (in Anlehnung an die Funktion eines Hormons)
Laktat als Energiequelle
Laktat wird zum größten Teil in der Arbeitsmuskulatur gebildet, wieviel hängt stark von der geleisteten Intensität ab. Entgegen früheren Meinungen ist es aber kein Endprodukt des Stoffwechsels, denn Laktat wird entweder direkt in der Muskelzelle der Entstehung direkt wiederverwertet oder in eine andere Muskelzelle geschleust, um dort in Energie umgesetzt zu werden. Man nennt dies cell-cell lactate shuttling. Weil sie hauptsächlich für die Laktatproduktion verantwortlich sind, sind es dabei meist die kräftigen weißen Fasern, welche das gebildete Laktat in die langsamen roten, oxidativ arbeitenden Fasern überführen, wo es in Energie umgewandelt wird. Außerdem sind Herz, Gehirn, Leber und Nieren dankbare Abnehmer und verwerten Laktat sogar noch lieber als Zucker oder Fettsäuren.
Der Transport aus der und die Muskelzelle funktioniert über Kanäle, sogenannte MCT1 Kanäle sind vornehmlich für die Aufnahme verantwortlich und finden sich zum größten Teil in oxidativen, roten Fasern. MCT4 Kanäle schleusen das Laktat aus der Zelle und sind in glykolytischen, weißen Fasern stark repräsentiert. Personen mit hoher VO2max weisen einen hohen Besatz an MCT1 und MCT4 Kanälen auf. Durch Training lässt sich der Besatz dieser Kanäle verändern, allerdings vermutlich nur durch intensive Belastungen, niedrigintensive scheinen keine relevante Veränderung zu erzielen, denn das Laktat selbst dient als Signalmolekül und muss daher vermehrt gebildet werden.
Die Glykolyse (der Abbau von Zucker) ist der Stoffwechselweg, aus dem das Laktat hervorgeht, dabei wird – einfach ausgedrückt – Zucker in Energie umgewandelt und das zum Großteil ohne Sauerstoff (anaerob). Allerdings fanden moderne Untersuchungen, dass auch unter vollständig aeroben Bedingungen der Abbau von Zucker zu Laktatproduktion führt. Somit ist nicht ausschließlich eine anaerobe Tätigkeit für dessen Produktion verantwortlich, sondern es wird vermutet, dass auch in Ruhe manche Strukturen das Laktat als Energiequelle brauchen.
Innerhalb der Zelle ist Laktat beispielsweise die Hauptenergiequelle für die sogenannte mitochondriale Atmung.
Laktat als Signalmolekül
Laktat wird als Pseudo-Hormon gesehen, weil es bei vielen Anpassungen direkt beteiligt ist. Für den Ausdauersport wichtig sind:
- Mitochondrienneubildung
- Gefäßneubildung
- Anpassungen im Bereich der Energiebereitstellung
- Sympathikusregulation
- Gefäßweitstellung (besserer Blutdurchfluss)
- Erhöhte Muskeldurchblutung
- Verminderte Sauerstoffbindung im Blut
Laktat und Ermüdung
Für viele ist klar, eine Anhäufung von Laktat führt automatisch zum Abbruch der sportlichen Leistung aufgrund eines Sauerstoffdefizits und somit zur muskulären Ermüdung. Die Sache hat nur einen Haken, denn Wahl (2009) erklärt, dass Laktat sogar einen positiven Effekt auf die Leistung eines ermüdeten Muskels hat. Das Ganze funktioniert über die Reizschwellenherabsetzung und verbesserte Durchlässigkeit bestimmter Kanäle.
Viel eher scheinen Störungen des Elektrolythaushalts (v.a. Natrium/Kalium) und der Kalziumkanäle dafür verantwortlich zu sein. Generell kann man aber festhalten, dass Ermüdung ein multifaktorielles Phänomen ist und nicht einem einzigen Faktor zugeschrieben werden kann.
Exkurs: Laktat vs. Milchsäure vs. Pyruvat
Im Sprachgebrauch verwendet man diese Begriffe meist Synonym, v.a. Milchsäure und Laktat, wobei das eigentlich nicht zulässig ist, denn Laktat ist das Salz der Milchsäure. Beim Zerfall der Säure entstehen Laktat und saure H+ Ionen, welche für das „sauer werden“ verantwortlich sind. Allerdings hat unser Körper sogenannte Puffer-Systeme, um dies zu vermeiden, denn sonst würde es sehr bald lebensbedrohlich werden.
Laktat wird außerdem nur gebildet, wenn das energieliefernde System mit Pyruvat aus dem Zuckerstoffwechsel gesättigt ist, und es z.B. in andere Muskelfasern transportiert werden muss. Laktat ist sozusagen also eine transportable Form von Pyruvat.
Hinweise für die Praxis (verändert nach Wahl, 2009):
- Blutlaktatkonzentration entstehen durch die Effizienz des Transports, nicht rein aus der anaeroben Abbaurate von Zucker
- Training führt generell zu einer Verbesserung des Laktattransports, was zu einer verbesserten pH Situation im entsprechenden Gewebe führt
- Anpassungen der MCTs im Muskel bedürfen einer gewissen Intensität: HIT Training
- Positive Trainingsanpassungen müssen aufgrund der multifaktoriellen Prozesse nicht zwangsweise im Laktat sichtbar werden. Allein der Faktor der (vermehrten) Laktatverwertung im Mitochondrium wird dabei ja gar nicht berücksichtigt. Beispielsweise kann eine Erhöhung der VO2max bei gleichzeitiger Steigerung der VLamax in der Laktatschwelle keine Veränderung ergeben und doch hat sich die Situation im Körper gravierend verändert.
- Laktatschwellen haben grundsätzlich keine höhere Bedeutung als andere Punkte an der Laktatkurve. Außerdem sind Schwellen mehr fließende Bereiche als Punkte und es besteht eine Zeitabhängigkeit bei der Laktatproduktion/-elimination, deren Ausmaß auch wiederum u.a. von MCT Kanälen abhängt.
- Vergleicht man dennoch Schwellen, muss das Belastungsprotokoll gleich sein. Unterschiedlich lange und hohe Stufen führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Holfelder und Bubeck beschreiben bereits 2012 dass man die Schwelle durch unterschiedliche Protokolle massiv verschieben kann.
- Laktat ist kein geeigneter Ermüdungsmarker
- Die absoluten Laktatwerte hängen auch eng mit der Ernährungsweise zusammen. Eine Laktatdiagnostik muss wenn dann unter möglichst standardisierten Bedingungen wiederholt werden.
Man erkennt bereits an der bei weitem nicht vollständigen Liste, dass eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit und eine Trainingssteuerung allein auf einer Beurteilung des Laktats heutzutage nicht mehr als ausreichend angesehen werden kann, allein schon ob der Wirkungsweise des HIT Trainings, welche sich aus früheren Methodiken nicht ganz schlüssig erklären lässt. Ob es die Kritik an Schwellenkonzepten oder die fehlende Stoffwechselinformationen betrifft, es gibt mittlerweile deutlich bessere Möglichkeiten als eine einzelne Laktatleistungsdiagnostik, die auch für Hobbyathleten zugänglich sind. Denn bei ihnen spielt Trainingseffizienz ebenfalls eine große Rolle aufgrund der eingeschränkten Zeitressourcen.
HIT Training und Laktat
HIT Training ist charakterisiert durch sehr hohe Intensitäten bis 100%VO2max. Durch diese hohe Belastung wird ein breiteres Muskelfaserspektrum aktiviert, somit mehr kräftige FT-Fasern in die Bewegung mit hinein geholt (Henneman’sches Prinzip).
Durch die hohe Intensität wird natürlich auch vermehrt Laktat produziert und dieses scheint hier als Signalmolekül zu wirken. Dabei steigert es die intensitätsabhängige Konzentration von folgenden Faktoren:
- VEGF (ein Wachstumsfaktor für Gefäßneubildung),
- MCT-Proteine (für Bildung der Kanäle),
- HIF-1alpha, welchem eine Vielzahl an zentralen Anpassungsreaktionen zugeschrieben wird,
- und v.a. PGC-1alpha, dem vermutlichen Hauptfaktor für gesteigerte Mitochondrien-Neubildung (eine konstant lange Überexpression von PGC-1alpha scheint die Typ 2 Fasern in Typ 1 Fasern zu überführen)
HIT führt nachgewiesenermaßen auch zu Anpassungen der Herzmuskelfasern und liefern eine so eine weitere Erklärung für die Anpassung auf Ausdauerleistung.
High intensity Intervalle sind also ein geeignetes Mittel, um die Sauerstoffaufnahme anzuheben. Sehr viele Radsportler bestreiten Wettkämpfe, welchen längeren Distanzen zugeordnet werden. Dabei ist es entscheidend, dass der wertvolle Zuckertreibstoff aus den Muskeln möglichst ökonomisch verbrannt wird. Also viel Energie aus möglichst wenig Menge. Dies klappt umso besser je niedriger die maximale Laktatbildungsrate ist. Je nach Stoffwechsel-Profil des Fahrers sollte der Plan entsprechend der Entwicklung des Parameters hin ausgerichtet werden, welcher die größten Leistungsreserven birgt. Das lässt sich mittels guter Leistungsdiagnostik feststellen.
Es gibt auch die Möglichkeit beide Trainingswege, welche grundsätzlich gegenteilig wirken, zu kombinieren und sich die Effekte der einzelnen Trainings zunutze machen. So kann man beispielsweise am Tag 1 die VO2max mittels hochintensiver Intervalle trainieren, wobei hier der Nachteil ist, dass viel Laktat produziert wird. Dieser Nachteil kann aber indirekt auch ein Nutzen sein, denn Laktat entsteht ja aus Zucker und dieses Training zieht nunmal auch viel Glykogen (gespeicherter Zucker in der Muskulatur). Somit kann ich am Tag 2, sofern ich die Speicher nicht absichtlich schnell und gut fülle, bei bereits angegriffenen Speichern (üblicherweise dauert es ca. 48h bis diese wieder gut gefüllt sind) ein relativ gutes Training zum Vermindern der VLamax und/oder des Fettstoffwechsels mit verminderter Kohlenhydratzufuhr anschließen. Somit verbessert sich im optimalen Fall meine VO2max und ich drücke die VLamax etwas nach unten bzw. verbessere optimalerweise meinen Fettstoffwechsel.
Literatur:
Wahl et al (2009). Moderne Betrachtungsweisen des Laktats. Sportmedizin und Sporttraumatologie (Schweiz)
Brooks (2020). Lactate as a fulcrum of metabolism. Redox Biology
Holfelder & Bubeck (2012). Theoretische Betrachtung über die Trainingssteuerung anhand des Laktatstoffwechsels und der Muskelfasertypisierung. Schweizer Z Spomed Spotraum
Ausdauertraining 2.0 Zeller
Plan: VLamax senken und die VO2max leicht triggern
Fortgeschritten (ca. 12-17h)
5er Block: am besten ohne off Tag fahren, zumindest Tag 1-3 hintereinander
Dauer: 1-2h
Grundpace: 55-65%FTP
Intervall: 6x3min
Intensität: 112-120%
Pause: 1,5min
Intensität: 55% 120% maximal
Dauer: 1,5-2,5h
Grundpace: 55-65%FTP
Intervall: 5x10min
Intensität: 85-93%
Pause: 5min
Intensität: 63-65%
Dauer: 2-3h
Grundpace: 55-65%FTP
Intervall: 4x12min bergauf
Intensität: 85% 50-60rpm
Pause: 6-10min
Intensität: 55-63% Od. bergab rollen
Dauer: 3-4h
Grundpace: 58%FTP
Intervall: 4-6x20min
Intensität: 63-70% 70-75rpm flach od. bergauf
Pause: 10-20min
Intensität: 50-58%
Dauer: 3-5h
Grundpace: 53-63%FTP
Zusatz: Tag 2-4 KH reduziert mit 30-40g/h (nicht weniger)
Optional: ab nach HIT-session low carb (einfach reduziert, NICHT verzichten) bis Tag 5
Beginner = noch nicht geübt in niedrigen Trittfrequenzen und erhöhter Leistung (ca. 6-10h)
Dauer: 1-1,5h
Grundpace: 55-65%FTP
Intervall: 4x4min
Intensität: 105-110%
Pause: 2min
Intensität: 55%
Dauer: 1-1,5h
Grundpace: 55-65%FTP
Intervall: 5x6min bergauf
Intensität: 85% 60-70rpm
Pause: 10min
Intensität: 55-63% Od. bergab rollen
Dauer: 1,5-2h
Grundpace: 55-65%FTP
Intervall: 4×6-8min
Intensität: 85-93%
Pause: 10min
Intensität: 63-65%
Dauer: 2h
Grundpace: 58%FTP
Intervall: 4-6x20min
Intensität: 63-70% 70-75rpm flach od. bergauf
Pause: 10-20min
Intensität: 50-58%
Dauer: 1-3h
Grundpace: 53-63%FTP
Fortgeschritten (ca. 12-17h)
Laktatkanäle vermehren („Laktattoleranz“)
Dauer: 1-2h
Grundpace: 55-65%FTP
Intervall: 6-10x2min
Intensität: 118-125%
Pause: 5min
Intensität: 60-67%
Dauer: 1,5-2,5h
Grundpace: 53-65%FTP
Dauer: 2-3h
Grundpace: 55-65%FTP
Intervall: 2x(3-5x4min)
Intensität: 105-115%
Pause: 4min
Intensität: 50-68% Blockpause 10-20min
Dauer: 3-4h
Grundpace: 58%FTP
Intervall: 4-6x20min
Intensität: 63-70% 70-75rpm flach od. bergauf
Pause: 10-20min
Intensität: 50-58%
Dauer: 3-5h
Grundpace: 53-63%FTP
Zusatz: Tag 1+3 high carb; Tag 2+4 low carb möglich
Beginner = noch nicht geübt in niedrigen Trittfrequenzen und erhöhter Leistung (ca. 6-10h)
Dauer: 1-2h
Grundpace: 55-65%FTP
Intervall: 6-10x1min
Intensität: 118-125%
Pause: 5min
Intensität: 60-67%
Dauer: 1-2h
Grundpace: 53-65%FTP
Dauer: 1-2h
Grundpace: 58%FTP
Intervall: 4-6x10min
Intensität: 63-70% 70-75rpm flach od. bergauff
Pause: 10-15min
Intensität: 50-58%
Dauer: 2-2,5h
Grundpace: 55-65%FTP
Intervall: 2x(3-4x3min)
Intensität: 105-115%
Pause: 3-5min
Intensität: 50-68% Blockpause 10-20min
Dauer: 2-3h
Grundpace: 53-63%FTP
Zusatz: Tag 1+6 high carb; Tag 2+4+7 low carb möglich