Krafttraining und Radfahren das passt (s. online Artikel in der Trainingsrubrik). Krafttraining ist korrekt ausgeführt eine der sichersten Sportarten überhaupt und immer zu empfehlen.
Welches Krafttraining zu welcher Radeinheit passt, da kann man noch feinjustieren. Liegt der Fokus auf Radmarathons oder nimmt man das Gesamtclassement bei Rundfahrten ins Visier, ist ein Training mit hohen Wiederholungszahlen und somit einhergehender Laktatproduktion kontraproduktiv, da die VLamax steigt. Als Sprinter SOLLTE man hingegen sogar dieses Ziel haben. Man sieht, es ist also zielabhängig.
Ein sogenanntes IK Training mit wenig Wiederholungen (2-4) schult im Gegensatz zum Hypertrophie- oder Kraftausdauertraining v.a. das Nerv-Muskel-Zusammenspiel und fördert aber ebenfalls die Belastbarkeit von Strukturen wie Gelenke, Sehnen, Bänder, Faszien, etc. und konkurriert kaum mit ausdauerorientierten Zielen. Außerdem ergeben sich bei jeder Form des Krafttrainings durch die Erhöhung der Belastbarkeit von Gelenken und Gewebe verletzungsprophylaktische Vorteile. Ein derartiges Training muss aber zuerst aufgebaut werden, es macht keinen Sinn von 0 auf 100 sofort mit schwersten Gewichten zu arbeiten.
Neben der Entwicklung der Kraftfähigkeit und strukturellen Festigkeit von Gewebe und Gelenken hat Krafttraining auch einen gesundheitlichen Effekt auf zellulärer Ebene. Muskeln produzieren durch Krafttraining (aber auch Ausdauertraining) sogenannte Myokine, hormonähnliche Substanzen, welche entzündungshemmend, regenerativ und gesundheitsfördernd wirken. Sie werden sowohl als Schutz als auch als Maßnahme gegen chronische Erkrankungen eingesetzt (Pedersen, 2011). Muskeln werden deshalb auch oft als endokrines Organ bezeichnet, weil sie diese hormonähnlichen Substanzen ausschütten.
Training wirkt einerseits entzündungshemmend über die Produktion von Myokinen und unterdrückt andererseits bei regelmäßiger Aktivität über einen anderen Signalweg die Produktion von entzündungsfördernden Zytokinen aus dem Fettgewebe (Görgens et al, 2015)
Pedersen (2011). Muscles and their myokines. J Exp Biol
Görgens et al (2015). Molecular and cellular regulation of adaption to exercise. Prog Mol Biol Trans Sci.
Quelle: Piccirillo (2019). Exercise-Induced Myokines With Therapeutic Potential for Muscle Wasting, Front. Physiol.
Hypertrophie
Viele denken bei Krafttraining sofort an Muskelberge, dabei ist Krafttraining viel mehr als nur ein Vergrößern des Querschnitts. Die größten Vorteile sind tatsächlich, Strukturen robuster und stabiler zu machen und somit Verletzungen vorzubeugen. Außerdem ist Krafttraining auch immer ein Muskelschutz. Der Körper wird veranlasst, Muskelmasse zu erhalten und nicht abzubauen. Dass Krafttraining einen wesentlich besseren Schutz vor Verletzungen bietet als andere Trainingsformen, steht längst außer Frage. Dies bestätigten auch Lauersen et al (2018) eindeutig mit einem großangelegten Review.
Lauersen et al (2018). Strength training as superior, dose-dependent and safe prevention of acute and overuse sports injuries: a systematic review, qualitative analysis and meta-analysis. Br J Spo Med
Und wer sich noch immer vor unkontrolliertem Muskelwachstum fürchtet, der sei auf die Molekularbiologie verwiesen. Langes, regelmäßiges Ausdauertraining blockiert den sogenannten mTOR Signalweg und erschwert somit den Muskelaufbau (so zumindest der derzeitige Stand der Wissenschaft, wobei in Zukunft sehr wahrscheinlich noch mehr Mechanismen identifiziert werden). Kurze hochintensive Einheiten, ohne lange Ausfahrten, scheinen dies nicht zu beeinträchtigen (in Natura sehen wir dies auch in den Körperkonstitutionen der verschiedenen Spezialisten: GC Fahrer vs. Sprinter vs. Bahnradfahrer).
Methenitis (2018). A brief review on concurrent training: from laboratory to field. Sports
Setzt man sich dennoch zum Ziel, ein bisschen Muskelmasse aufzubauen, muss man auf komplettes Muskelversagen setzen. Hört sich schlimm an, ist es auch, zumindest die letzten Wiederholungen.
Um sowohl die Kraftfähigkeit als auch das Muskelwachstum zu fördern, empfiehlt es sich weniger Wiederholungen mit hohen Gewichten bis zur letztmöglichen Wiederholung durchzuführen (z.B. 3-4 Sätze zu 5-8 Wiederholungen), da ab einer gewissen prozentuellen Schwelle der Maximalkraft alle Muskelfasern rekrutiert werden und die schnellen FT Fasern deutlich besser hypertrophieren.
Reicht einem ein moderater Hypertrophiereiz und ein gesundheitlich orientiertes Training – hierbei werden sich viele angesprochen fühlen, die sich mit dem klassischen Krafttraining nicht so recht anfreunden können – kann man auch auf mehr Wiederholungen setzen, muss aber wieder bis zur Ausbelastung gehen. Hier wird nicht von Beginn an das gesamte Muskelfaserspektrum aktiviert, sondern zuallererst kommen die langsameren oxidativen Fasern ins Spiel und ab einer bestimmten Anstrengung müssen dann mehr Fasern mit ins Boot geholt werden, um die letzten möglichen Wiederholungen bis zur Ausbelastung zu schaffen, daher die Notwendigkeit der vollständigen Ausbelastung. Folglich arbeitet wieder das gesamte Muskelfaserspektrum inklusive der gut hypertrophierenden FT Fasern (allerdings in einem zeitlich und mechanisch deutlich geringerem Aktivierungsausmaß als beim klassischen Hypertrophietraining). Das Ziel sollte sein, so hohe Gewichte zu wählen, dass die Ausbelastung zwischen 90s und 120s bei langsamer Ausführung eintritt, um eine optimale Muskelproteinsynthese anzuregen (vgl. Toigo, 2015).
Toigo (2015). Muskelrevolution. Springer Spektrum
Tipp zur Entwicklung der Kraftfähigkeit und Hypertrophiereiz
insgesamt 10-12 Sätze für die Beine (diese können auch auf 3-5 verschiedene Übungen aufgeteilt werden) zu 4-8 Wiederholungen, wobei man bei jedem Satz ans Limit geht. Dafür pausiert man 3min dazwischen. Gesamtdauer: ca. 45min.
Tipp zur gesundheitlich orientierten Entwicklung von Gelenken und Geweben mit leichtem Hypertrophiereiz
insgesamt 8-12 Sätze für die Beine (dies können genauso viele verschiedene Übungen sein oder auch weniger mit jeweils mehreren Sätzen), dabei das Gewicht so wählen, dass man bei langsamer Ausführung innerhalb 90s bis höchstens 120s die Ausbelastung erreicht. Die Pause kann etwas kürzer ausfallen, sollte aber zw. 1-3min liegen.
Aus gesundheitlicher UND leistungsorientierter Sicht eignen sich Komplexübungen am allerbesten, um in kurzer Zeit einen möglichst großen Nutzen zu erzielen. Hierzu gehören v.a. der Squat (Kniebeuge) und der Deadlift (Kreuzheben) und für den Oberkörper der Klimmzug. In keinem guten Trainingsplan sollten die Grundübungen Squats und Deadlift fehlen. Diese beiden Übungen sind auch von jedem durchführbar und es gibt absolut keinen Grund dies nicht zu tun. Jeder, der vom Esstisch aufsteht oder aus dem Auto aussteigt, macht eine Squat-Bewegung. Hebt man einen etwas schwereren Gegenstand auf, ist es eine Kreuzhebe-Bewegung. Die Frage ist also nicht, ob man diese Muster trainieren kann, sondern lediglich in welchem Bewegungsausmaß es zurzeit mit den vorherrschenden Voraussetzungen möglich ist. Tatsächlich gibt es einige allgemeingültige Punkte, aber die Ausführungsform ist stark abhängig von den Körperproportionen (Rumpf-, Oberschenkel-, Unterschenkellänge, Bauweise des Hüftgelenks), Gelenkbeweglichkeiten (Sprunggelenk, Hüftgelenk, Wirbelsäulenmobilität) und Ansteuerungsfähigkeit der beckenumspannenden Muskulatur.
Möchte beispielsweise jemand mit langem Oberschenkelknochen und schlechter Sprunggelenkbeweglichkeit eine Tiefkniebeuge ausführen, ist das fast ein Ding der Unmöglichkeit. Kommt noch eine anatomisch ungünstige Winkelstellung der Hüftgelenkspfanne hinzu, hat man überhaupt keine Chance. Da es vielfältige derartige Kombinationsmöglichkeiten gibt, erkennt man vielleicht, dass es durchaus Sinn macht, einmalig in ein gutes Personal Training zu investieren, um sich (hoffentlich) für den Rest des Lebens nicht nur im Krafttraining, sondern auch im Alltag sicher zu bewegen. Denn auch trainingstechnisch gibt es Varianten, die besser und weniger gut geeignet sind, je nach Voraussetzung. Wesentlich für ein effektives und sicheres Training ist, dass man in der Lage ist, die Muskulatur des Schultergürtels und Beckens ordentlich anzusteuern, um die zwingend notwendigen Körperpositionen unter Last halten und bei Bedarf korrigieren zu können.
Ziel soll auch immer ein größtmöglicher range of motion (ROM) sein, um sowohl die Gelenke in der Gesamtbewegung belastbarer zu machen, als auch Beweglichkeit zu erhalten bzw. zu fördern. Voraussetzung für eine höhere Belastbarkeit ist eine langsame Progression der Gewichte über Wochen und Monate hinweg. D.h. sobald man über die empfohlenen Wiederholungszahlen oder Zeitdauern hinauskommt, muss das Gewicht gesteigert werden, damit sich der Körper weiter anpasst.
Verletzungsprophylaxe/Beweglichkeit
Exzentrisches Training zur Verletzungsprophylaxe (für Heimtraining geeignete Übungen)
Da Radfahren des Öfteren mit einem erhöhten Muskeltonus und somit einer geringeren Beweglichkeit in Verbindung gebracht wird, ist es ein nicht uninteressanter Fakt, dass man in vielen Untersuchungen festgestellt hat, dass sich ein mehrwöchiges langsam durchgeführtes exzentrisches Muskeltraining positiv auf die Faszikellänge (Muskelfaserbündellänge) im Sinne einer Verlängerung auswirkt (Pollard et al 2019, Blazevich et al. 2007, Seynnes et al. 2007, Reeves et al. 2004). Für diesen Zweck ist ein exzentrisches Training einem konzentrischen immer überlegen (Duhig et al, 2019). Dafür braucht man nicht einmal ein Fitness-Studio, sondern kann mittels dreier Heimübungen, die in unserer Sportart meistbetroffenen Muskelgruppen trainieren.
Duhig, Bourne, Buhmann, Williams, Minett, Roberts, Shield (2019). J Sci Med Spo
Nordic Curl und oder Romanian Deadlifts
Pollard et al (2019) untersuchten ein 6-wöchiges Nordic Curl Trainingprogramm (Wochen 1-2: 2x/Woche 4x6WH, Wochen 3-6: 1x/Woche, 4x6WH; jeweils 2min Satzpausen) auf die Faszikellänge der Hamstrings. Sie konnten dabei eine 8%ige Steigerung der Länge bei der Übung mit Körpergewicht und eine beinahe 20%ige Steigerung bei Verstärkung durch Gewicht feststellen.
Pollard, Opar, Williams, Bourne, TImmins (2019). Razor hamstring curl and Nordic hamstring exercise architectural adaptions: impact of exercise selection and intensity. Scan J Med & Sci Spo.
Entscheidet man sich für die Romanian Deadlifts ist es extrem wichtig, dass die Bewegung nicht aus einer Rundung der Wirbelsäule kommt, sondern aus einem Kippen des Beckens bei stabiler Wirbelsäule.
Reverse Nordic Curl
Genauso wie die bekanntere Nordic Curl Übung eignet sich die umgekehrte Version, um den Quadriceps effektiv exzentrisch zu trainieren und so das Risiko einer Quadriceps-Verletzung (v.a. des Rectus femoris) zu vermindern. Außerdem verschiebt es bei regelmäßigem Training den Winkel des Spitzendrehmoments in eine größere Muskellänge und kann so helfen, das beim Radfahren erhöhte Risiko eines zu hohen Muskeltonus in einem relativ kleinen Gelenkwinkel („Verkürzung“) zu vermeiden. Dies steht zwar im Kontrast zum optimalen Winkel der Kraftproduktion beim Radfahren selbst, da dieser Reiz aber erheblich öfter stattfindet, sollte man sich darum nicht allzu viele Sorgen machen. Betrachte das Zusatztraining als Ausgleichsreiz, um den Muskel aus seiner Monotonie zu holen. Diesen Beweglichkeitserhalt mittels Krafttraining zu erreichen macht außerdem durchaus mehr Sinn als dies alleinig durch Dehnen zu versuchen, da der Muskel lernt, das Gelenk auch in diesen Winkelstellungen zu sichern, weil er bei dieser Übung aktiv arbeiten muss, was ja beim Dehnen nicht der Fall ist.
Exzentrisches Wadentraining
Im Vergleich zu Orthesen und Schienen zeigt eine Metaanalyse aus 22 Studien mit 1137 Probanden hinsichtlich einer Schmerzverbesserung, dass ein exzentrisches Training tendenziell besser wirkt als jegliche Schiene (Wilson et al, 2018). Dies lässt sich aber nicht nur als Schmerztherapie anwenden, sondern als full ROM Training auch präventiv, damit es gar nicht erst soweit kommt. Auch hier sind Radfahrer ja meist enorm betroffen, da die Sehne ständig in einer eher kurzen Länge belastet wird. Ein Training mit langer und langsamer exzentrischer Phase lässt sich sehr gut einbeinig auf einer Stiege trainieren.
Wilson F, Walshe M, O’Dwyer T, Bennett K, Mockler D, Bleakley C. Exercise, orthoses and splinting for treating Achilles tendinopathy: a systematic review with meta-analysis. Br J Sports Med. 2018
Dabei beachten muss man, dass hier das Trainingsprinzip der Kontinuität ganz explizit greift, denn Pollard et al (2019) haben auch festgestellt, dass sich bei einer Trainingsunterbrechung die Längenadaptation innerhalb 1-3 Wochen wieder rückbildet.
Zeitliche Abstimmung Radfahren zu Krafttraining
In der Regel muss aufgrund der zentralnervösen Mehrbelastung das Krafttraining vor der Ausdauereinheit oder an einem Tag, wo man erholt ist, stehen. Zumindest sofern der Kraftreiz der Fokus sein soll.
Steht das Radfahren und die Ausbildung der aeroben Systeme im Vordergrund, kann das Krafttraining entgegen des Trainingsprinzips der richtigen Belastungsreihenfolge auch nach der Ausdauerbelastung erfolgen, aber zumindest ein gewisser zeitlicher Abstand sollte gegeben sein, um dem Muskel Zeit zu geben und den Tonus etwas zu senken. Auch nach zeitlich und/oder energetisch stark belasteten Einheiten sollte man das Krafttraining auf einen anderen Tag legen.
Proteinzufuhr
Es sollte noch angemerkt werden, dass bei einer Kombination aus Ausdauer- und Krafttraining eine Eiweißversorgung von 1,5-2g/kg Körpergewicht erstrebenswert ist. Priorität für den Körper ist es, zuerst lebenswichtige Organe und das Blut mit Eiweiß zu versorgen. Danach steht in der Reihenfolge die mitochondriale Reparatur noch vor der myofibrillären (den Muskel betreffend). Daher sollte man wirklich genug Protein zu sich nehmen, um allen Strukturen „Baumaterial“ zur Verfügung zu stellen, und dann können Recovery Shakes nach harten Einheiten auch mal Sinn machen. Wenn man sich vernünftig ernährt, sollte aber auch das kein großes Themas sein, denn 1,5-2g/kg reicht dann auch leicht. Darüber hinaus erzielt man keinen Mehrwert.