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High Intensity meets VO2max: ein Überblick

los gehts

Das nächste Intervall kommt schon, jetzt schon…eigentlich hat man noch immer einen komischen Geschmack im Mund und ist so gar nicht erholt von der letzten Belastung. Egal, los geht’s, alles für die bessere Form.

VO2max Intervalle kennt man, hat man schon gemacht. Meist auch viel darüber gelesen, hart und kurze Pausen sollen es sein, zumindest charakterisiert das einige Formen davon. Wenn man dann auf Strava sieht, was andere machen, wird das vielleicht auch gleich ausprobiert. Die Länge der Intervalle, die Kürze der Pausen, die Intensität, wie oft, all das war schon mehrfach Gegenstand von Untersuchungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Wieviel davon ist aber belegtes Wissen, gibt es Intervallformen, die besser sind als andere. Präzise formuliert müsste man eigentlich sagen, die besser geeignet sind für einen selbst. Denn die Vielzahl an Intervallformen, die unter dem Label VO2max Training laufen, haben natürlich auch jeweils andere Charakteristika. 

Vieles wurde in Trainingsstudien bereits untersucht und in Artikeln und Büchern aufgearbeitet, aber noch nicht alles. Aus DER VO2max-Schmide Norwegens, nämlich aus der Inland Norway University in Lillehammer, kommt ein neues Puzzleteil in einer – wahrscheinlich – unendlichen Geschichte auf der Suche nach dem perfekten Training.

Was bedeutet aber eigentlich VO2max Training, was ist das und was passiert dabei? Die VO2max ist die maximale Sauerstoffaufnahme, die der Körper leisten kann. Nach der Fick’schen Gleichung ist diese abhängig von der Herzfrequenz und dem Schlagvolumen des Herzens (Herzminutenvolumen) und der Differenz des arteriovenösen Sauerstoffgehalts (wieviel Sauerstoff wird zu den Muskeln – wir beschränken uns hier auf die Muskeln als Zielorgan – transportiert und wieviel kommt wieder zurück). Eine hohe VO2max wird daher zentral begünstigt von einer hohen HFmax, welche ein recht individueller und nicht trainierbarer Faktor ist, der auch im Alter abnimmt, und dem Schlagvolumen, welches sich durch langjähriges Ausdauertraining verbessert und im Extremfall ein Grund für ein vergrößertes Sportlerherz ist. Peripher spielen die Transport- und Aufnahmekapazität eine entscheidende Rolle. Der Transport ist abhängig von der Anzahl der roten Blutkörperchen bzw. von der Hämoglobin-Konzentration, welcher ein eher individueller Faktor ist, der ständigen Schwankungen unterliegt, da die Lebensdauer dieser Zellen 70-140 Tage beträgt (Franco 2012). Mehr Training resultiert in der Regel in einer höheren Anzahl an roten Blutkörperchen, auch das Höhentraining und verbotene Applikationen wie Epo zielen darauf ab. Die Aufnahme beim Muskel ist abhängig von vielen Faktoren, die auch gut trainierbar sind. Dazu zählen die Anzahl und Größe der Mitochondrien, Kapillardichte, Muskelmasse und Fasertypverteilung.

Man kann also festhalten, dass das Schlagvolumen und die Aufnahme am Muskel trainierbar ist, um eine höhere VO2max zu erhalten. Das Schlagvolumen reagiert genauso wie jedes System auf Reize. Wenn man es oft genug beansprucht und vielleicht sogar noch an die Grenzen bringt, dann reagiert der Körper über die Zeit mit einer Anpassung. Das ist einer der Gründe, warum die Ergebnisse von Stephen Seiler (s. Ausgabe xxxx, war sicher schon öfter Thema) gezeigt haben, dass die intensiven Trainingsanteile eines polarisierten Trainings über 90% der HFmax lagen. Denn dort erfährt das Herz hohen Volumsdruck und reagiert langfristig mit Anpassung.

Die andere Seite der Transportkette liegt an den Muskeln. Ein Ausprägen von mehr Blutgefäßen an der Muskulatur passiert durch viele, lange Grundlagenausdauereinheiten mit konstantem Sauerstofftransport zu der Muskelzelle. Das wäre unter anderem der low intensity Anteil des polarisierten Trainings. Aber auch die Mitochondriengröße und -anzahl reagiert auf beiderlei Trainings (HIT und LIT), sowie andere Adaptationen wie Enzymaktivität, Laktattransportkapazitäten, etc. Dies sollte einen guten Einblick geben, wie die VO2max zustande kommt. 

Wie trainiert man das also. Wie bereits beschrieben, können harte Intervalle mit einer hohen HF einen guten Beitrag leisten. Mittlerweile ist die Zugänglichkeit zu labordiagnostischen Untersuchungen schon so niederschwellig, dass eigentlich jeder, der das will, dies in Anspruch nehmen und noch genauer erfahren kann, bei welcher Intensität denn die individuell höchste Sauerstoffaufnahme stattfindet.

Es hat sich nämlich etabliert, dass die akkumulierte Zeit über 90% der VO2max als Maß für ein effektives VO2max Training betrachtet wird. Hierzu gibt es bereits einige Untersuchungen, welche den Anstieg der Sauerstoffaufnahme bei unterschiedlichen Intervallen vergleichen. So kommt man bei 2-4min Intervallen schnell über die 90%, da die Intensität sehr hoch sein kann und das sauerstoffaufnehmende System dadurch schneller hochfährt. Im Vergleich dazu dauert das Überschreiten der 90% Grenze bei 8min Intervallen länger, weil die Intensität entsprechend geringer gewählt werden muss. Allerdings kann die Zeit über 90% dann eventuell länger sein. Dieses Kosten-Nutzen-Prinzip liegt den verschiedenen Verschreibungsformen von Intervallen zugrunde, denn jede Belastung über der Schwelle führt über kurz oder lang zur VO2max, wie schnell ist abhängig von der Intensität und auch zum gewissen Maß individuell. Der Vorteil von 8min Intervallen kann sein, dass man sich in Summe wie erwähnt meist länger in der gewünschten Zone befindet als zB bei den 4min Intervallen. Bei 30/15er Intervallen dauert es durch die schnell eintretende Pause auch eine gewisse Zeit bis die 90% überschritten sind, aber dadurch, dass die Intensität deutlich höher ist als bei längeren Intervallen und ab einem Punkt die VO2 in den Pausen nicht mehr wesentlich abfällt bei immer noch sehr harten Belastungen kann die VO2 relativ lang über 8-15min gut gefahren werden, und es sammelt sich viel Zeit in der Zone 90-100%VO2max. 

Diese Fakten wurden mehrfach in Studien untersucht und bei Einzeltraining beschrieben. Der Nachteil ist, dass es bis jetzt keine Daten dazu gab, ob sich dieses Muster konstant in einem Trainingsprozess durchzieht. Bis jetzt. 

Denn erst kürzlich hat eine Forschungsgruppe um Ronnestad, Odden und Urianstad den Effekt verschiedener VO2max Intervalle auf den Körper untersucht. Im Rahmen dieser großangelegten Studie mit mehreren Forschungsthemen untersuchte Odden erstmals die Sauerstoffaufnahme JEDER einzelnen Trainingssession bei jedem/r Proband/in auf den prozentuellen Ausnutzungsgrad der VO2max über 9 Wochen. Bis jetzt gab es die Aussage bzw. Annahme, dass Trainings über 90% der VO2max einen sehr guten Trainingseffekt habe, aber es wurde noch nie während Trainingseinheiten gemessen, ob die Probanden tatsächlich diese Grenze überschritten bzw. ob sich diese Annahme tatsächlich bestätigt oder ob es auch Personen gibt, welche mit geringeren Werten ebenso gute Ergebnisse erzielen. Auch dass die gezeigten Überschreitungen der 90% Grenze bei der immer gleichen Intensität wie im Labor gemessen passiert, basiert letztlich auf der Annahme eines konstanten Effekts im Trainingsprozess. 

Diee Forschungsgruppe untersuchte dafür drei gängige Intervall-Modelle: 

  • short intervals mit 30sec Belastung und 15sec Erholung, 
  • 1min Belastungen und einer 1min Erholung und 
  • 8min konstanten Intervallen. 

Alle drei Intervallformen wurden in Summe 5x8min mit 3min Durchgangspausen durchgeführt und waren so strukturiert, dass die Arbeitsleistung am Ende des Trainings gleich war. Dabei wurde festgestellt, dass die Gesamtzeit über 90% der VO2max, was derzeit als geeignetes Kriterium gilt, die VO2max zu trainieren, bei den 30/15er Intervallen signifikant höher war. Außerdem waren die Verbesserungen lt. Urianstad bei Frauen und Männern gleichermaßen und die Ausnutzung der bereits vorhandenen VO2max verbesserte sich durch die kurzen hochintensiven Intervalle besser als bei den anderen Formen, auch wieder bei beiden Geschlechtern. Bemerkenswert war, dass die Forschungsgruppe es geschafft hat, über 9 Wochen ALLE Trainings- und Testeinheiten mit einer Spirometrie zu begleiten und somit einen immensen Datensatz zur Verfügung zu haben.

Die untersuchte Gruppe setzte sich aus 19 männlichen und auch 3 weiblichen Radfahrer/innen mit gutem Leistungsvermögen von durchschnittlich 67ml/kg/min VO2max zusammen. In Summe wurden 21 Intervall-Einheiten absolviert, das restliche Training beschränkte sich fast ausschließlich auf low intensity Training in den Zonen 1-2 in einem 5-Zonen Modell (bis max. 75% der Leistung des 40min Tests, der im Vorfeld durchgeführt wurde). Während dieser 9 Wochen wurde die Gruppe am Beginn, zweimal währenddessen und einmal am Ende getestet und das Training auf Änderungen angepasst. Außerdem wurde die Gruppe geteilt in „High“, das waren Probanden mit einer hohen VO2-Ausnutzung an/über 90% bei jeder Intervallsession, und „Low“, die mit etwas geringerer Ausnutzung. Trotz gleicher Vorgaben schwankte die Sauerstoffnutzung sowohl zwischen den Probanden als auch innerhalb der Athleten von einer Session zur nächsten, was auf individuelle und tagesaktuelle Unterschiede zurückzuführen ist. 

Es war sehr interessant zu sehen, dass bei ähnlich leistungsfähigen Athleten mit gleicher Vorgabe unterschiedliche Ausnutzungen der VO2max zustande kommen. Da man normalerweise keine eigene Spirometrie zur Verfügung hat, um das Training zu begleiten, ist es auch eine wertvolle Erkenntnis, dass auch jene, die nicht 90% überschreiten, trotzdem gute Zugewinn haben. Allerdings fällt der Zugewinn mit höherer Ausnutzung besser aus.

Nach den 9 Wochen haben sich bei allen Probanden die Leistungswerte an der 4mmol Leistung verbessert, genauso die maximale aerobe Leistung und die 15min Maximalleistung. Die „HIGH“ Gruppe schnitt dabei etwas besser ab. Z.B. verbesserte die Gruppe im Schnitt die VO2max um 8% gegenüber der „LOW“ Gruppe, welche im Schnitt 2,7% aufwies. Auch bei anderen leistungsphysiologischen Messwerten war die Gruppe etwas im Vorteil. Dies lässt den Schluss zu, dass eine längere Zeit näher bei der maximalen Sauerstoffaufnahme (zumindest nahe/über 90%) mehr VO2max Zuwachs bedeutet als mit einem vergleichbaren Intervalltraining mit weniger Ausnutzung.

Die Intensität bei den 30/15er HIIT lag bei 118% der FTP, die 15sec Pause bei 60%. Das 8min Protokoll wurde bei 100% FTP gefahren, das 1:1 Protokoll bei 110% und 90%. Als FTP wurde dabei die Durchnittsleistung über einen 40min all-out Test gewertet. Dieser Wert wurde jede 3. Woche neu gemessen und das Training daraufhin angepasst.

Dieses Untersuchungsergebnis unterstützen auch Forschungen der Autoren Buchheit und Laursen in mehreren Studien. Diese beschäftigen sich auch mit einer adaptierten Form des HIIT, dem „high intensity decreasing interval training“. Der Gedanke dabei ist, dass die Zeit über 90%VO2max mit längeren Intervallen (3-5min) schneller erreicht wird als bei kürzeren Intervallen unter 1min. Somit zielt dieses Training darauf ab, dass die VO2max initial schnell angehoben wird und bei den kürzeren Folgeintervallen aufgrund der kurzen Pausen nicht mehr so weit absinkt, da dies vergleichbar träge abläuft wie das Sinken der HF. Somit hält man bei den kürzeren Intervallen eher die 90%VO2max Grenze und verbringt am Ende mehr Zeit darin als würde man auch mit kurzen Intervallen starten. Man nutzt das lange Intervall also als sogenannten „Primer“. Dies untersuchten Vaccari et al 2020 mit eben angesprochenen immer kürzer werdenden Intervallen verglichen mit nur kurzen und nur langen Intervallen.

Ein konkretes Beispiel aus der Vaccari-Studie: 180s (120s Pause), 120s (80s Pause), 60s (40s Pause), 45s (30s Pause), 30s (20s Pause) und die 30s bis es nicht mehr geht.  Als Intensität für die Intervalle wurde 117% der Critical Power (CP) und 83% der CP verwendet, so dass diese sich genau in der Mitte der Belastungs- und Pausenintensitäten befand. 

Dieses Intervalltraining wurde bei Vaccari et al bei Radfahrern mittleren Alters durchgeführt mit deutlichen Benefits für das HIDIT. Auch bei Lauftrainings schnitt ein HIDIT besser ab verglichen mit kontinuierlichen Intervallen. Dabei wurde ein Training gewählt, das auch dem Schema eines Primers mit anschließenden kurzen Intervallen folgt: 3min Belastung, 2min Pause und 30s Belastung mit 20s Pause bis die Probanden abbrechen mussten. Dabei wurde gezeigt, dass die Zeit über 90% der VO2max bei den decreasing intervals signifikant höher lag, weil auch die Ausbelastung bzw. die Zeit in den hohen Arbeitsintensitäten deutlich höher war, verglichen mit den beiden anderen Protokollen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Einsatz von kurzen hochintensiven Intervallen auch bei nichtspezifischen Anforderungen wie bei Marathon-/Langdistanz-Rennen durchaus Berechtigung findet. Vor allem in der Winterzeit können diese Trainings ob der Kürze sehr gut in den Trainingsalltag integriert werden und eine höhere VO2max begünstigen. Während der Saison können sie auch als Unterbrechung von Trainingsroutinen eingebaut werden, immer abhängig natürlich von der jeweiligen Phase und dem Ziel des Fahrers. Kombiniert mit einem etwas längeren Primer-Intervall lässt sich die Einheit dann auch noch etwas tunen und effektiver machen. 

HIIT Training

20min warm-up von 55% auf 70%FTP 

3min Primer @120%FTP

1min Pause @60%

3x folgendes (kann im Laufe der Trainingswochen bis auf 5x erhöht werden):

11x (30s@120-130%FTP* // 15sec @65%FTP) 3min @60-70%

20min ausfahren @55-65%

*oder 118% 40min max. Leistung

HIDIT:

20min warm-up 55-65%

3min @117%

2min @83%

2min @117%

80s @83%

1min @117%

40s @83%

45s @117%

30s @83%

30s @117%

20s @83%

Die 30/20 werden so lange wiederholt bis es zum Abbruch kommt. Danach 20-30min ausfahren @58-68%

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