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Energie-/Stoffwechsel-Pacing

los gehts

Warum gibt es eigentlich so viele verschiedene Trainingsformen, warum führen bei einem Menschen manche Strategien zum Ziel und bei einem anderen nicht? Warum kann es nicht einen one-plan-fits-all Trainingsplan geben? 

Es liegt bekanntermaßen an den individuellen Voraussetzungen und Vortrainings von Parametern wie Herzkreislaufsystem, Muskelfaserausprägung und vor allem am Energiestoffwechsel. Je länger ein Rennen wird, desto entscheidender ist es, wie der Körper mit den Energiereserven umgeht bzw. was mit der zugeführten Energie (Gels, Riegel, etc.) passiert. Aber genauso ist es bei kürzeren bis ganz kurzen Events, dort ist es ebenso entscheidend, nur eben auf eine ganz andere Weise.

Ein einfaches Beispiel: Fahrer xy hat einen unglaublich guten Kohlenhydratstoffwechsel und knallt richtig viel Watt auf den Asphalt. Das geht aber eben nur kurz, dafür mit richtig Power. Wenn bei so jemandem Zucker ins System kommt, verstoffwechselt der Körper diese Energie mit Freude. Ein zweiter Fahrer abc hat gegenteilig einen richtig mies ausgeprägten Kohlenhydratstoffwechsel. Er wird bei jedem Ortsschildsprint stehengelassen und kennt die 1000W nur aus Erzählungen. Aber genau deswegen kann er richtig lang in Relation schnell fahren, denn er haushaltet gut mit seinen Zuckerreserven und hat einen guten Fettstoffwechsel.

Man kann schon erahnen, dass man diese beiden Fahrer absolut nicht gleich trainieren kann, sondern ihren Fähigkeiten und Zielen entsprechend möglicherweise komplett gegenteilig trainiert. Daher ist es auch nicht klug, sich selbst einen Trainingsplan zu gönnen, den ein Cousin eines Bekannten von Peter Sagan bei einer Kneipentour persönlich bekommen hat.

Welcher Typ Fahrer man ist, ist vielleicht nicht ganz so schwer festzustellen als wie die genauen Kennwerte und Zahlen. Beim typischen Freizeitradsportler, der mehrmals die Woche im Wohlfühltempo stetig und lange fährt, liegt die Vermutung nahe, dass deine VLamax zumindest nicht in der oberen range liegt. Er ist der ausdauernde Typ, der auch nach 3-4h nochmal ein kleinwenig zulegen könnte. 

Der heißblütige junge Radsportler, der sich am liebsten in jeder Ausfahrt mit den Kollegen bei einem Ortsschildsprint misst und diesen auch regelmäßig für sich entscheidet, muss die VLamax wohl eher etwas höher als zu niedrig sein, ansonsten wäre die Freude an den Sprints eher getrübt.

Auch bei den Fahrern, die ständig am Anschlag fahren und das vielleicht sogar aufgrund des Trainingsumfangs sehr lange durchhalten, aber es nie schaffen, die Leistung ordentlich ins Ziel zu bringen, haben mitunter eine höhere VLamax.

Das macht die Physiologie hinter jedem Radsportler so interessant. Eine FTP ist das, was es ist, eine FUNKTIONELLE Schwelle. D.h. man kann diese Leistung relativ lange 45min bis knapp über eine Stunde aufrechterhalten und man kann auch ein gut strukturiertes Training damit steuern. Wieviel Beitrag aber von den einzelnen energetischen Systemen geleistet wird, kann bestenfalls (wie oben) vermutet werden. Warum hat Fahrer 1 aber eine Schwelle von 300W und jemand anderer eine Schwelle von 400W? Nur 20% der Leistungsunterschiede zwischen Amateuren und Profis können mittels VO2max erklärt werden. Ansonsten wäre die Sache ja sehr einfach, und wir hätten drei Erklärungsansätze: die VO2max sinkt, steigt oder bleibt gleich. Das allein kann aber die Leistungsunterschiede nicht erklären. 75% der Leistungsunterschiede können auf die VLamax zurückgeführt werden. Die Kombination von VO2max und VLamax eröffnet dabei viele Kombinationsmöglichkeiten der Erklärungsmodelle und ist für 97% der Leistungsunterschiede zw. Athleten verantwortlich. 

Als einfaches Beispiel: eine Schwellenleistung von 300W kann zu 80% aus dem aeroben Stoffwechsel (240W), zu 13% aus dem glykolytischen Stoffwechsel (39W) und zu 7% aus dem anaerob alaktaziden Stoffwechsel (21W) geleistet werden. Genauso kann es aber sein, dass 87% (261W), 7% (21W) und 6% (18W) aus den jeweiligen Stoffwechselprozessen geleistet werden. Vielleicht hat man nach einer Trainingsperiode sogar seinen Stoffwechsel dementsprechend „umprogrammiert“, tritt wieder 300W und glaubt, es hat sich nichts verändert…dabei hat sich der Stoffwechsel sogar drastisch verändert. Weiß man darum Bescheid und steuert das Training entsprechend, kann man das Beste aus beiden Welten verbinden und seine Schwelle auf 261W+39W+21W=321W anheben. Man erkennt also schon, dass das Wissen um den Stoffwechsel der Schlüssel zur Entwicklung ist, v.a. unter dem Aspekt, dass der Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel eine höchst individuelle Größe darstellen.

Aber wie weiß man nun konkret, welcher Typ Fahrer man ist? Seit wenigen Jahren gibt es für die breite Masse die Möglichkeit dies mittels Diagnostik feststellen zu lassen. Das Wissen darum existiert schon seit zumindest den 90ern. Anfang der 2000er wurde es dann systematisiert und dem Profi-Radsport zugänglich, bevor der Entwickler, Sebastian Weber, dies über die Diagnostikzentren STAPS kommerzialisierte und später mit seinem Unternehmen INSCYD für Profi- und Hobbyfahrer weiterentwickelte.

Die Inscyd Diagnostik schlüsselt den Stoffwechsel erstmalig so weit auf, dass die drei wichtigsten Parameter VLamax (max. Laktatbildungsgeschwindigkeit), VO2max und die anaerobe Schwelle abhängig von der Compliance des Fahrers mit einer extrem hohen Genauigkeit getestet und erstmals auch zueinander in Beziehung gesetzt und cross validiert werden. Somit ergibt sich ein Gesamtbild des Stoffwechsels und der Radfahrer weiß sehr exakt aus welchen energetischen Anteilen sich 250W Leistung zusammensetzen, die er auf seiner Runde auf die Kurbel bringt. Das eröffnet die Möglichkeit, das Training den Zielen entsprechend genau zu steuern und den Wettkampf energetisch zu pacen.

Auch hierzu ein Beispiel: nehmen wir den Rennradfahrer Rudi Renner, der an Marathon xy teilnimmt und dafür 3h benötigen möchte. Rudi wiegt 60kg und hat seine getestete Schwelle bei 260W. Aufgrund der Inscyd-Leistungsanalyse ist nun möglich ein Pacing auf Grundlage der Fett- und Kohlenhydratverbrennung zu erstellen.

  • Rudi möchte den Marathon in 3h fahren
  • Wir wissen, dass es für den Darm möglich ist 60-90g Kohlenhydrate pro h aufzunehmen, je nach „Trainingszustand“ des Darms (auch wenn mehr zugeführt wird, kann auch bei optimaler Zuckerzusammensetzung nicht mehr durch die spezifischen Transportkanäle überführt werden). Nehmen wir mal 80g/h an, so ergibt das eine Verfügbarkeit während 3h von 3x80g=240g
  • Die Muskelmasse eines klassischen Rennradfahrers beträgt in etwa 32-45% (bei Frauen etwa 27-35%). Das heißt für Rudi, er hat ca. 60×0,4 (40%-Annahme)=24kg Muskelmasse zur Verfügung. Je nachdem wie die Muskelmasse verteilt ist, kann man beim Rennradfahrer davon ausgehen, dass ca. 65% Muskelmasse an der Leistungserbringung beteiligt sind: 24kgx0,65=15,6kg Muskelmasse. Wir wissen aus Studien, dass Trainierte in gutem, erholten Zustand ca. 20g KH pro kg Muskelmasse speichern können. Also hat Rudi 15,6x20g=312g KH für die 3h zur Verfügung 
  • Das ergibt in Summe eine KH-Verfügbarkeit von 240g+312g=552g über die 3h.
  • Das ergibt weiter eine stündliche Verfügbarkeit von 184g/h
  • Nun kann ich mittels der Fett-/Kohlenhydrat-Leistungskurve der Software sehen, dass Rudi bei einem Verbrauch von 184g KH pro h 248W leisten kann, ohne sich dabei zu übernehmen. 

Das selbe ist natürlich mit Abschnitten eines Rennens möglich, wo mehrere Anstiege zu bewältigen sind. Ziel und Zweck ist es einfach, das Ratespiel von Trial and Error in Prozent der FTP durchschaubarer zu machen. Denn sobald der/die Athlet/in weiß, wie sich diese Leistung zusammensetzt (aus welchen aeroben und anaeroben Anteilen), muss man nicht mehr underpacen und kann nicht mehr überpacen. Die Fragen der Validierungen sind natürlich und nachvollziehbar. Dieser Algorithmus wurde auf Herz und Nieren wissenschaftlich und in der Praxis bei zig-tausenden Tests erprobt, verbessert und mittlerweile mit dem Power Performance Decoder Tool auch als DIY Diagnostik etabliert (Ziel war, den auf der ganzen Welt verstreuten Radprofis die Möglichkeit zu geben, die Leistungen regelmäßig zu kontrollieren und ein wertvoller Nebeneffekt, dass nun JEDE/R selbst zu Hause auf dem Smarttrainer oder seiner eigenen Teststrecke Zugang zu dieser Diagnostik aus dem Hause INSCYD hat).

Die zu leistenden Watt können von Rudi mittels frei zugänglicher Tools im Internet in eine Zielzeit umgerechnet werden, stark abhängig natürlich von der Aerodynamik und wie die Werte in einer Gruppe im Windschatten umgesetzt werden. Trotzdem erhält Rudi eine sehr genaue Aussage, wieviel Watt er sich leisten kann und wie viele KH er zumindest zuführen sollte. Außerdem kann man nach einem overpacing, weil man beispielsweise eine Gruppe einholen möchte, einschätzen wie viel man in etwa an Erholung einplanen sollte.

VLamax steigern

frei

Glykolyt. Kapazität: 15x 20sec max. Sprint Pause: 3min FatMax (max. Laktatabbau)

Krafttraining: in Summe 8-15 Sätze zu je 8-20WH nicht ganz ausbelastend aus den Übungen:
Kniebeuge
Front Kniebeuge
Bulgarian Split
Beinpresse
Lunges abwechselnd vorwärts mit Gewicht
Pistol Squats erleichtert
du kannst alle Übungen machen, um auf die Satzzahl zu kommen oder auch nur 2,3 oder 4. Abwechslung trägt zur Motivation bei.

Rekom: 1-1,5h regenerativ

Int. Intervalle im Laktatbereich: 20min warm-up 10min über der Schwelle (Laktat aufbauen) 10x 1min @320W (Lac Akkumulation 1,5mmol) Pause: 2,5min @160W (Lac Abbau 1,6mmol)*

Krafttraining: in Summe 8-15 Sätze zu je 8-20WH nicht ganz ausbelastend aus den Übungen:
Kniebeuge
Front Kniebeuge
Bulgarian Split
Beinpresse
Lunges abwechselnd vorwärts mit Gewicht
Pistol Squats erleichtert
du kannst alle Übungen machen, um auf die Satzzahl zu kommen oder auch nur 2,3 oder 4. Abwechslung trägt zur Motivation bei.

Glykolyt. Kapazität: 3x6x40/20 zw. den DG 10min locker

*Lac Akkumulation und Abbaurate sind ebenfalls aus einem anderen Diagramm von INSCYD ablesbar

VLamax senken (wichtiger als die Dauer ist die Frequenz – so oft als möglich in der Woche fahren)

frei

K3 Training 1h50min: 4x 8min @sweet spot auf einem leichten Anstieg mit niedriger Kadenz (55-60U) dazw. 15min unterer FatMax Bereich

Tempo mit low cadence: 4x15min @oberer FatMax mit 65-75U dazw. 10min locker und normale Kadenz

Grundlage: 2-3h Grundlageneinheit mit nicht ganz gefüllten Kohlenhydratspeichern. Während der ersten Stunde nur Wasser, danach dünnes Iso (30g/h)

Pause od. Rekom

K3 Training 2h30min: 4x 12min @sweet spot auf einem leichten Anstieg mit niedriger Kadenz (55-60U) dazw. 20min unterer FatMax Bereich

G1 oder Mi-Training: mit nicht ganz gefüllten KH-Speichern starten und während der Einheit mäßig KH zuführen

FatMax verbessern

frei

Schwellentraining 1h50min: 3x 8min @sweet spot/Schwelle mit niedriger Kadenz (60-75U) dazw. 15min unterer FatMax Bereich

FatMax IV (1,5h): 5x 5min @oberer FatMax dazw. 10min unterer Fatmax Bereich

Grundlage (1,5-2h): 1,5-2h unterer/mittlerer FatMax Bereich (low carb starten und nach 1h nur Wasser mit KH beginnen)

Locker 1h: nüchtern oder no carb oder low carb starten und unterer Grundlagenbereich (nur Wasser)

FatMax 2,5h: abwechselnd 15min mittlerer/oberer FatMax mit 15min unterer FatMax Bereich (20-40g KH/h)

FatMax 1h-2,5h: mit nicht ganz gefüllten KH-Speichern starten und während der Einheit mäßig KH zuführen

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